«Dritte Orte» – Orte der Begegnung (Teil 2)

Das niederländische Den Haag gehört dem WHO-Netzwerk «Altersfreundliche Städte» an. Entsprechend wird dem Thema Alter in der Stadt viel Beachtung geschenkt. In diesem zweiten Teil liegt der Fokus auf dem Kulturzentrum «Amare». Ebenfalls ein Ort der Begegnung – ein sogenannter «Dritter Ort», an dem sich ältere Menschen treffen, austauschen und sie gemeinsamen Aktivitäten und Interessen nachgehen.

Die Altersstrategie der Stadt Zürich verfolgt den Ansatz, wonach die städtischen Altersinstitutionen zukünftig auch «als Treffpunkt für die Bevölkerung» dienen sollen (Altersstrategie 2035, S. 47). So lautet denn eine der zentralen Massnahmen «Zusammenarbeit der städtischen Altersinstitutionen als quartiernahe Begegnungsorte», für deren Umsetzung ich bei den Gesundheitszentren für das Alter zuständig bin.
Der Zufall wollte es, dass die «Expedition Age & City 2023» der deutschen Körber-Stiftung unter dem Motto «Dritte Orte – Orte der Begegnung» stand, was mich veranlasste, mich für die Teilnahme an der Reise nach Den Haag zu bewerben. Gerne berichte ich an dieser Stelle in zwei Blogbeiträgen darüber.

Haben Sie den ersten Teil noch nicht gelesen? Hier geht’s zum Artikel.

«AMARE» – Ort der Hochkultur mit Platz für alle

Das Kulturzentrum Den Haags wurde während der Corona-Pandemie eingeweiht. Hier residieren neben dem Konservatorium ein Sinfonieorchester (Residentie Orkest), ein Tanztheater (Nederlands Dans Theater) und ein Sprechtheater (Stichting Amare). Es gibt neben insgesamt vier Auditorien auch Kongresssäle, Seminarräume und das «Open Amare».
Das sind die öffentlich nutzbaren Flächen im Gebäude, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen und von allen genutzt und bespielt werden dürfen – eine überdachte Allmend mitten in der Stadt, sozusagen. So war bei unserem Besuch gerade eine chinesische Gruppe aus der benachbarten China Town am Tanzen zur eigens mitgebrachten Musik. Und über Mittag wurde an einer anderen Stelle Tai Chi für alle angeboten. Im «Open Amare» finden offene Veranstaltungen statt, bei denen alle mitmachen können. Ein Blick auf die Webseite verrät: Da gibt es zum Beispiel den argentinischen Tangosalon, Salsa für Ältere ebenso wie den Tanzpalast für Ältere oder auch den «Social Dance» mit vorhergehender Tanzlektion und anschliessender Tanzparty. Der Eintritt ist gratis, Spenden sind möglich. Damit sich die Veranstaltungen nicht ins Gehege kommen, wird die Nutzung der öffentlichen Flächen von der bei Amare dafür zuständigen Person koordiniert.
Weiter steht im «Open Amare» ein öffentliches Klavier, das frei genutzt werden kann. Genauso gibt es einen öffentlichen Brunnen, wo der Durst gestillt oder die Wasserflasche nachgefüllt werden kann. Auch das ist kostenlos. Das Erdgeschoss dient ausserdem als öffentlicher, gedeckter Durchgang von der Bahnhofsseite in die Innenstadt. Hier befinden sich eine Brasserie und die Ticketvorverkaufsstelle für alle kulturellen Veranstaltungen des Amare. Der Raum ist hoch, grosszügig, hell und 125 m lang. Hier gibt es Sitzgelegenheiten und diverse öffentliche Flächen, sei es zum Tanzen, zum Musizieren oder für Tai Chi und weitere Ideen.

Öffentliches Klavier
Foto: Carlijn Stortelder
Öffentlicher Durchgang von der Bahnhofsseite Richtung Innenstadt, insgesamt 125 m lang
Foto: Ossip van Duivenbode (NOAHH / JCAU)
Öffentlicher Brunnen Foto: Carlijn Stortelder
Entspannung über Mittag
Foto: Carlijn Stortelder
Salsa für Ältere
Foto: Eveline van Egdom
Tanzpalast
Foto: Eveline van Egdom
Social Dance mit den Hague Hoppers
Foto: Eveline van Egdom

Was ich aus diesem Besuch mitnehme

Die holländische Unkompliziertheit, Dinge zu tun und einfach einmal auszuprobieren, hat mich beeindruckt. Alles ist auf Empowerment und Co-creation ausgerichtet. Es ist von öffentlicher Seite explizit erwünscht, dass sich die (ältere) Bevölkerung aktiv beteiligt, einbringt und mitgestaltet. Diese Haltung der Behörden und ihre Dienstleistungsorientierung gegenüber der eigenen Bevölkerung ermöglicht vieles. Im Gegenzug scheinen sich die älteren Menschen mit Elan und Freude einzubringen und vieles selber mitgestalten zu wollen. Da sind viel persönliches Engagement und private Initiative vorhanden.
Ein ganz wesentlicher Punkt scheint mir ausserdem zu sein, dass Fachpersonen das schlummernde Potenzial gut erkennen und wie im Fall der «Ontmoeten» und auch der «Participatie Keuken» mit einer Grundhaltung des Ermöglichens und Vernetzens von Personen viel bewirken.
Ebenfalls ganz im Sinne dieser Haltung ist gar das zentrale Kulturhaus in Den Haag gestaltet: ein offener Ort, wo hochkarätige Kulturveranstaltungen geboten und talentierte Jungmusiker*innen ausgebildet werden und gleichzeitig «Kultur von der Strasse» oder «Volkskultur» im besten Sinn des Wortes gelebt werden kann. Ein Ort, wo alle Schichten und Gruppen aufeinandertreffen.

Die Exkursion hat mir gezeigt: Lebendige dritte Orte entstehen dort, wo engagierte Menschen mittun und zusammen etwas gestalten und wo Raum unkompliziert und vielleicht auch einmal auf unkonventionelle Art genutzt werden darf. Wer erwartet schon in einem grossen, renom-mierten Konzert- und Theaterhaus mit königlichem Konservatorium Salsa-Lektionen und Tanzanlässe für ältere Menschen oder öffentliches Tai Chi über Mittag? Und wo werden schon Grünstreifen zwischen Mehrfamilienhäusern durch die Bewohner*innen beackert und bepflanzt, um später davon zu ernten und für die Quartiertafel zu kochen? Die Exkursion hat mir gezeigt, dass es sich lohnt «out of the box» zu denken und Dinge einfach auszuprobieren. Dieser Gedanke wird mich begleiten, wenn es darum geht, daran mitzuarbeiten, die Gesundheitszentren für das Alter längerfristig zu «quartiernahen Begegnungsorten» werden zu lassen – so wie es die Altersstrategie 2035 vorgibt.

Wer zur Abrundung gerne in einem kurzen Film der Körber-Stiftung noch mehr über die Exkursion erfahren möchte, kann das hier tun: Youtube-Video «Expedition Age & City: Den Haag – Dritte Orte in der Stadt der Teilhabe (2023)»

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