Wahrgenommene finanzielle Lage und Gesundheit bei ‚jungen Alten‘ in europäischen Ländern

Wirtschaftliche Sicherheit und gute Gesundheit sind zentrale Elemente einer hohen Lebensqualität, gerade auch im höheren Lebensalter. Im Folgenden werden Einschätzungen der finanziellen Situation und der Gesundheit bei ‚jungen Alten‘ (d.h. 65–74-jährigen Personen) im europäischen Ländervergleich untersucht.

Wahrgenommene finanzielle Lage

Der Anteil an 65-74-jährigen Befragten, welche die finanzielle Lage ihres eigenen Haushalts positiv bewerten, variiert intereuropäisch, in Abhängigkeit vom allgemeinen Wohlstandsniveau und dem Ausbau der Alterssicherungssysteme. Grob gefasst lassen sich vier Gruppen von Ländern unterschieden:

In der ersten Gruppe fühlt sich eine substanzielle Mehrheit der 65-74-jährigen Personen wirtschaftlich gut abgesichert. Dies gilt einerseits für drei skandinavische Länder (Norwegen, Schweden, Dänemark), wo rund zwei Drittel der jungen Altersrentner ihre finanzielle Lage positiv einstufen. Andererseits fühlt sich auch in den Niederlanden und der Schweiz eine klare Mehrheit und in Grossbritannien eine knappe Mehrheit wirtschaftlich gut abgesichert. Im Zeitvergleich 2002 bis 2016 hat sich der Anteil der wirtschaftlich abgesicherten älteren Menschen in allen sechs Länder erhöht (primär weil Generationen (Babyboom-Generation) ins Rentenalter traten, die besonders stark vom wirtschaftlichen Aufschwung und dem Ausbau der Altersrenten in den Nachkriegsjahrzehnten zu profitieren vermochten).

In einer zweiten Ländergruppe fühlen sich grob gesagt gut zwei Fünftel der 65-74-jährigen Befragten wirtschaftlich gut situiert. Dazu gehören Irland, Deutschland, Frankreich und Belgien. In diesen Ländern ist die häufigste Antwort auf die Finanzfrage ‚es geht, man kommt mit dem aktuellen Einkommen zurecht‘. Auch in dieser Ländergruppe – sofern Vergleichsdaten vorliegen – hat sich der Anteil der gut situierten Senioren seit 2002 erhöht; ein Trend, der in Deutschland besonders ausgeprägt erscheint.

In einer dritten Gruppe von Ländern liegt der Anteil an sich wirtschaftlich abgesicherten ‚jungen Alten‘ schon tiefer und variiert je nach Land zwischen einem Fünftel und einem Drittel. Rund ein Drittel fühlt sich in Slowenien und Österreich finanziell gut gebettet. In Spanien und Finnland ist es jeweils gut ein Fünftel. Im Zeitvergleich hat sich der Anteil an gut situierten älteren Personen in diesen Ländern nicht oder nur leicht erhöht (was teilweise – etwa in Spanien – mit der Finanz- und Wirtschaftskrise nach 2007 in Verbindung steht).

In einer vierten Ländergruppe sind die wirtschaftlich abgesicherten und gut situierten Altersrentner (‚affluent seniors‘) noch eine Minderheit von maximal zehn Prozent und weniger. Dies gilt für Portugal und Griechenland sowie für mittel- und osteuropäische Länder (Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Litauen, Estland und Russland). Der Anteil an Altersrentnern, die eine prekäre wirtschaftliche Situation erfahren, ist besonders hoch in Litauen, Ungarn sowie Russland. Im Zeitvergleich 2002-2016 hat sich der Anteil der wohlsituierten Personen kaum erhöht.

Subjektive Gesundheit

Der Anteil von 65-74-jährigen Befragten, die ihre Gesundheit als gut bis sehr gut einschätzen, variiert intereuropäisch ebenfalls stark. Der höchste Anteil an sich gesund fühlenden ‚jungen Alten‘ ergibt sich (mit 77%) in der Schweiz. Sehr geringe Anteile (11% bzw. 10%) zeigen sich in Russland und Litauen. Generell ergeben sich hohe Anteile an sich gesund fühlenden älteren Menschen in nordeuropäischen Ländern und den Benelux-Ländern. Geringer sind die Anteile in mitteleuropäischen Ländern (Deutschland und Frankreich). In süd- und osteuropäischen Ländern sind die Anteile derjenigen, die sich mit 65-74 Jahren als gesund einstufen, deutlich geringer.

Im Ländervergleich zeigt sich eine sehr hohe positive Beziehung zwischen dem Anteil an wirtschaftlich gut situierten älteren Menschen und dem Anteil an älteren Menschen, die ihre Gesundheit positiv bewerten. Gesundheitliches Befinden und wirtschaftliche Absicherung im Rentenalter sind eng verbunden und generell führt ein Ausbau der Altersvorsorge zu einer erhöhten gesunden Lebenserwartung.

Auch auf individueller Ebene ergeben sich klare Zusammenhänge zwischen sozialen Schichtfaktoren (Bildungsstatus, finanzielle Lage) und der selbst bewerteten Gesundheit von 65-74-jährigen Befragten: Personen mit tertiärer Ausbildung weisen häufiger eine gute subjektive sowie eine gute funktionale Gesundheit auf als bildungsferne Personen (ein Zusammenhang, der sozusagen zu den klassischen Ergebnissen sozialwissenschaftlicher Ungleichheitsforschung gehört). Ebenso ist die Einschätzung der finanziellen Lage des eigenen Haushalts eng mit dem gesundheitlichen Befinden assoziiert. Eine hohe subjektive und funktionale Gesundheit im höheren Lebensalter ist positiv mit einer guten wirtschaftlichen Absicherung assoziiert, wogegen wirtschaftliche Prekarität und Altersarmut das gesund­heitliche Befinden reduzieren; sei es, dass sozio-ökonomische Probleme ganz allgemein das physische und psychische Wohlbefinden reduzieren oder sei es, dass finanzielle Schwierig­keiten zu einer schlechteren Gesundheitsversorgung bzw. zu einem schlechteren Zugang zu sozio-medizinischen Versorgungssystemen führen.

Finanzielle Lage und Gesundheit in Europa, 2002-2016
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