Verkehrsmobilität im Alter

Mobilität im Alter ist ein wichtiges Fachthema der Gerontologie. Mobil zu sein ist ein elementares Merkmal der wahrgenommenen Selbständigkeit im Alter. Es zeigen sich Unterschiede im Nutzungsverhalten jüngerer und älterer Menschen hinsichtlich diverser Verkehrsmittel. Aktuelle Daten aus der Bevölkerungsbefragung der Stadt Zürich zeigen die unterschiedlichen Nutzungsintensitäten der jüngeren und älteren Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner auf und regen zur Diskussion über eine altersgerechte Verkehrsplanung in Städten an.

Ausgangslage und Methodik

Junge und ältere Menschen unterscheiden sich zumindest teilweise hinsichtlich ihrer Mobilitätsbedürfnisse und -probleme (vgl. Flade, Limbourg & Schlag 2001). Mobilität ist darüber hinaus ein wichtiger Faktor für die selbständige und lebensqualitätserhaltende Lebensführung im Alter (vgl. Mollenkopf & Flaschenträger 2001). Aber wie sieht die konkrete Verkehrsmobilität älterer Menschen in einer Grossstadt aus und wie unterscheidet sich diese von jüngeren Personen? Diese Fragen können mit den aktuellen Daten der Bevölkerungsbefragung zum Teil beantwortet werden.

Die hier vorgestellte Sonderauswertung bezieht sich auf das Datenmaterial der Bevölkerungsbefragung aus dem Jahr 2015 der Stadt Zürich. Die Dienstabteilung Stadtentwicklung der Stadt Zürich führt die städtische Bevölkerungsbefragung seit 1999 regelmäßig durch und hat dem Autor die Befragungsdaten freundlicherweise für wissenschaftliche Sekundäranalysen zur Verfügung gestellt. Innerhalb der Befragung im Jahr 2015 konnten auch Angaben zur Verkehrsmobilität miterhoben werden. Es konnten durch eine telefonische Befragung mit einem standardisierten Fragebogen insgesamt 2’500 Personen ab 18 Jahren befragt werden, wobei 784 Personen zwischen 60 und 90 Jahre alt waren. Die zufällige Stichprobenziehung (Random-Verfahren) erfolgte aus Registerdaten der Stadt Zürich bei im Privathaushalt wohnhaften Personen ab 18 Jahren. Auswertungen der bestehenden Daten hinsichtlich Personen, die älter als 90 Jahre sind, sind nicht möglich, da hier zu wenige Menschen befragt wurden, um eine repräsentative Auswertung vorzunehmen.

Die Auswertungen erfolgen mit gewichteten Daten (nach Quartier, Geschlecht, Staatsangehörigkeit), die sich nicht erheblich von den ungewichteten Rohdaten unterscheiden. Im Vergleich zu den offiziellen Daten des Statistischen Amtes der Stadt Zürich zeigt sich eine gute Vergleichbarkeit, jedoch wurden zum Teil mit der Stichprobe etwas mehr ältere Personen und Personen mit einer Schweizer Staatsangehörigkeit erreicht.

Ergebnisse

Allgemeine Nutzungsunterschiede
Anhand der Daten der Bevölkerungsbefragung 2015 kann festgestellt werden, dass Personen ab 80 Jahren deutlich seltener ein Auto oder ein Velo regelmässig nutzen als jüngere Personen, jedoch nicht unbedingt weniger den öffentlichen Verkehr in der Stadt nutzen (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Nutzung des Velos, des öffentlichen Verkehrs und des Autos in der Stadt Zürich nach Altersgruppen gruppiert

Die Nutzung des Velos nimmt anscheinend mit der Pensionierung ab und wird von heutigen 80jährigen und älteren Personen weniger regelmässig genutzt. Bei der Nutzung des Autos sieht es ähnlich aus, jedoch sind hier die Differenzen nach der Pensionierung nicht so stark; auch Personen im Alter über 70 Jahre nutzen das Auto regelmässig, vermutlich gerade jene Personen, welche bereits ihr Leben lang mit dem Auto regelmässig unterwegs waren. 16 % der befragten Personen im Alter zwischen 80 und 90 Jahren nutzen das Auto zumindest wöchentlich, mehr als sie das Velo nutzen. Spitzenreiter in allen Altersgruppen ist in der Stadt Zürich nach wie vor – dies zeigen auch ältere Bevölkerungsbefragungen (vgl. Seifert & Schelling 2012) – der öffentliche Verkehr, welcher auch von der überwiegenden Mehrheit der älteren Stadtbevölkerung regelmässig genutzt wird.

Hinsichtlich der Zufriedenheit der Verkehrssituation in Zürich mit Velo, öffentlichem Verkehr und Auto lassen sich keine deutlichen Unterschiede zwischen den Altersgruppen erkennen, wenn auch Personen ab 60 Jahren häufiger als jüngere Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner angeben, dass sie mit den vorgefundenen Situationen zufrieden seien.

Zu Fuss unterwegs
Werden die befragten Personen gefragt, wie zufrieden sie grundsätzlich mit der Situation als Fussgänger/in sind, wenn sie in der Stadt Zürich unterwegs sind, geben sie der Situation im Durchschnitt eine Schulnote von 5; wobei keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen hier vorzufinden sind. Ein für die gerontologische Forschung interessantes Thema ist die Mobilitätserweiterung im Alter durch ausreichende Sitz- und Ausruhmöglichkeiten. Bestehen Sitzmöglichkeiten in der Stadt, können gerade Personen mit einer eingeschränkten Mobilität ihre Bewegungsfreiheit durch bestehende Sitzmöglichkeiten absichern.

Innerhalb der Bevölkerungsbefragung konnte hierzu die Frage gestellt werden, ob die befragten Personen in der Stadt genügend Orte und Plätze mit Sitzgelegenheiten vorfänden. Hier geben 75 % der Personen im Alter zwischen 80 und 90 Jahren an, dass dies der Fall sei, 25 % würden sich mehr Sitzmöglichkeiten wünschen. Bei der Personengruppe der 30 bis 59jährigen sagen 28 % das es zu wenige Sitzmöglichkeiten habe. Im Vergleich hierzu fühlen sich 8 % der 80 bis 90jährigen unwohl und unkomfortabel zu Fuss unterwegs in der Stadt, jedoch nur 3 % der 30 bis 59jährigen. So ergibt sich hier auch eine signifikante Korrelation zwischen dem Unwohl-Fühlen zu Fuss und der Einschätzung der ungenügenden Sitzmöglichkeiten (r = .211, p = .000).

Diese Verbindung zur Unsicherheit im Strassenverkehr zeigt sich auch bei einer anderen Frage, bei der gefragt wurde, ob sich die Strassen generell gut und sicher überqueren liessen (13 % der 80 bis 90jährigen geben hier an, dass sie sich hier unsicher fühlen), auch hier zeigt sich eine signifikante Korrelation (r = .378, p = .000) zwischen dem Unwohlsein unterwegs zu Fuss und der Einschätzung der sicheren Strassenüberquerung. Diesbezüglich kann vermutet werden, dass gerade ältere Personen, welche sich eher etwas unwohl und unkomfortabel zu Fuss fühlen (was für eine eingeschränkte Mobilität spricht) auch eher Mühe mit dem Sitzangebot und dem Strassenverkehr haben und daher vielleicht auch eher bestimmte Situation bzw. Orte meiden.

Mit dem Velo oder dem Auto unterwegs
Wie der allgemeine Vergleich gezeigt hat, nutzen Personen ab 70 und insbesondere ab 80 Jahren in der Stadt Zürich seltener bis nie das Velo. Interessant ist, dass sich die befragten Personen im Alter zwischen 80 und 90 Jahren nicht unbedingt unsicherer mit dem Velo in der Stadt fühlen als jüngere Personen, jedoch geben hier auch nur wenige generell eine Velonutzung an. Es scheint daher, dass besonders regelmässige Velonutzer/innen eher Gefahren im Strassenverkehr wahrnehmen.

Immerhin 16 % der befragten StadtbewohnerInnen im Alter zwischen 80 und 90 Jahren nutzen das Auto mindestens einmal in der Woche; 77 % geben hier an, dass sie nie ein Auto benutzen. Im Vergleich hierzu nutzen 28 % der 70-79jährigen, 36 % der 60-69jährigen und 38 % der 30-59jährigen mindestens wöchentlich das Auto. Das Auto scheint neben den öffentlichen Verkehrsmitteln eine wichtige Fortbewegungsmöglichkeit in der Stadt für ältere Menschen zu sein.

Mit Bus, Tram und Bahn unterwegs
Der öffentliche Verkehr wird von allen Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern gerne genutzt, auch von Personen im Alter zwischen 80 und 90 Jahren; er ist damit das Verkehrsmittel erster Wahl in der Stadt. Allein 33 % der 80-90jährigen sind täglich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, im Vergleich hierzu sind 40 % der 70-79jährigen, 40 % der 60-69jährigen und 46 % der 30-59jährigen täglich mit Bus, Tram und Bahn in der Stadt Zürich unterwegs.

Ein Altersunterschied zeigt sich bei der Frage, ob der Weg von der eigenen Wohnung bis zur nächsten Haltestelle unangenehm oder umständlich sei: hier bejahen 15 % der 80-90jährigen diese Frage, jedoch nur 7 % der 60-69jährigen und 8 % der 30-59jährigen. So zeigt sich hier auch ein Zusammenhang (r = .142, p = .000) zwischen der Angabe, ob man Probleme habe, zu Fuss unterwegs zu sein, und der vorherigen Frage zur umständlichen Erreichbarkeit der Haltestelle, was dahingehend interpretiert werden kann, dass Personen mit Bewegungseinschränkungen auch den Weg zur nächsten Haltestelle vermutlich als „mühsamer“ erleben, als dies Personen ohne Einschränkungen wahrnehmen. Der Vorteil der Pensionierung ist dafür aber, dass nun nicht mehr unbedingt die vollen Busse und Bahnen verwendet werden müssen, so geben 97 % der 80-90jährigen und 94 % der 70-79jährigen an, dass sie die Möglichkeit haben, ihre Fahrzeiten ausserhalb von Stosszeiten zu legen; dies geben nur 56 % der 30-59jährigen an.

Schlussbemerkungen

Täglich in den Strassen seines Wohnortes unterwegs sein zu können, ist eine wichtige Mobilitätsfreiheit und Ausdrucksform der Selbständigkeit. Ist die Mobilität z.B. durch altersbedingte körperliche Einschränkungen begrenzt, zentriert sich das Leben auf die eigene Wohnung. Dennoch zeigen die Daten der Bevölkerungsbefragung der Stadt Zürich, dass auch viele hochaltrige Personen täglich im Strassenverkehr unterwegs sind und hierbei vor allem die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Das Velo wird im hohen Alter nur wenig genutzt, häufiger jedoch das Auto.

Nichtsdestotrotz sind viele ältere Menschen vor allem zu Fuss und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln täglich auf den Strassen der Stadt Zürich unterwegs. Umso wichtiger scheint es daher, von Seiten der Stadt für ausreichend Sitzmöglichkeiten in ausreichend nahen Abständen und für eine gute Infrastruktur hinsichtlich der Haltestellen des öffentlichen Verkehrs in allen Stadtquartieren zu sorgen. Die Bevölkerungsbefragung zeigt zwar, dass diese Punkte für Zürich von den befragten Personen nicht gross bemängelt werden, dennoch sind solche Aspekte und grundsätzliche Überlegungen zu einer sicheren Mobilität hochbetagter Personen für jede Gemeinde der Schweiz im Zeichen des demografischen Wandels wichtige zukünftige Agendapunkte.

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