Resilienzstärkung bei Mitarbeitenden im Gesundheitswesen: Erfahrungen mit COVID-19 im Frühjahr 2020

Krisensituationen wie die aktuelle Coronapandemie können sich negativ auf den Gemütszustand der Mitarbeitenden und somit auf die Arbeitsleistung auswirken. Doch was kann der Arbeitgeber dagegen tun? Gezielte Massnahmen können Unsicherheiten oder Ängste der Arbeitnehmer abfedern und ihre psychische Widerstandsfähigkeit stärken.

Die Auswirkungen der Pandemie auf die emotionale Befindlichkeit der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen sind vielfältig. Sie sind sowohl von beruflichen oder privaten Anforderungen, wie auch von der Persönlichkeit abhängig. Auch in den Pflegezentren der Stadt Zürich unterscheiden sich die Anforderungen je nach Standort, Aufgabe, Berufsgruppe, privatem Umfeld oder persönlichem Gesundheitszustand. Dementsprechend zeigen sich auch unterschiedliche emotionale Reaktionen. So hörte ich auf meine Nachfrage «Wie geht es Euch»? von verschiedenen Personen: «Bestens, wir haben eine viel bessere Stimmung im Team als vor Corona». Einige Mitarbeitende und Teams wurden durch die an sie gestellte Herausforderung gestärkt und waren stolz darauf, wie sie schwierige Situationen meistern konnten. Damit bestätigt sich die Aussage von Masten (2001): «Resilienz ist ein verbreitetes Phänomen und die menschliche Psyche besitzt eine grosse Anpassungsfähigkeit». Ein Stück weit darf oder soll ein Arbeitgeber auch auf die Resilienz der Mitarbeitenden vertrauen. Ein Übermass an Unterstützung kann auch schwächend wirken.

Die Krise ist da – und nun?

Am Anfang der Pandemie wurden wir alle mit vielen Unsicherheiten konfrontiert – die Bilder aus dem nahem Ausland schockierten. Wird es noch möglich ein, unsere persönliche Gesundheit genügend zu schützen? Solch eine Unsicherheit kann zu Ängsten oder Missstimmungen führen. Für Mitarbeitende der Risikogruppe oder für solche mit entsprechenden Angehörigen kann das gar ein bedrohliches Ausmass annehmen. Die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren, ist in Krisen ein erster Schritt, um überhaupt handlungsfähig zu sein (Reivich & Shatte, 2002). Der Zukunftsforscher Harry Gatterer (2020) empfiehlt die produktive Anspannung als optimales Feld innerhalb der Klassifikation von Emotionen (Abbildung), um erfolgreich mit Krisen umzugehen. Er schreibt dazu folgendes: «In der ersten Reaktion ist völlig klar, dass wir Menschen emotional reagieren. Die einen werden hypernervös, die anderen sind verärgert. Man macht sich Sorgen und hat Ängste. Krisen sind Momente, in denen wir kompensieren müssen, was nicht durch Routinen vorgegeben ist. Es bedarf einer produktiven Anspannung und eines Kicks, der durch die Emotionen angeregt wird».






Klassifikation der Emotionen

Mit welchen Massnahmen kann der Arbeitgeber unterstützen, dass Mitarbeitende sich in diesem gewünschten Feld der Emotionen bewegen können? Was meinen die betroffenen Mitarbeitenden dazu?

Im Pflegezentrum Bachwiesen wurde im Rahmen einer Informationsveranstaltung für Mitarbeitende nachgefragt, was sie im beruflichen Umgang mit COVID-19 unterstützte. Die Antworten dazu werden nachfolgend zusammengefasst vorgestellt:

Gesundheitsschutz

Massnahmen zum bestmöglichen Schutz der Gesundheit aller Beteiligten wurden als wichtige Faktoren beschrieben, um Sicherheit zu vermitteln. Dies beinhaltet das Vorhandensein von genügend Schutzmaterial, geeignete Abläufe für Schutz- und Isolationsmassnahmen und Schulungen der Mitarbeitenden. Die mehrheitlich konsequente Umsetzung der Massnahmen und bei Bedarf die Durchführung von Kontrollmassnahmen wurden von den Mitarbeitenden als positiv bewertet. Die Massnahme, Gratis-Parkplätze anzubieten, ermöglichte es den Mitarbeitenden, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reduzieren.

Ressourcen

Die Mitarbeitenden schätzten, dass zusätzliche personelle Ressourcen zur Verfügung standen. Die Lernenden und Studierenden konnten in einem vollen Pensum eingesetzt werden und bei Bedarf wurde zusätzlich rekrutiertes Personal eingesetzt. Die pflegerischen Mitarbeitenden wurden bei administrativen Aufgaben, beispielsweise im Zusammenhang mit RAI, entlastet. Mitarbeitende der Seelsorge und Aktivierungstherapie unterstützten die Bewohnerinnen und Bewohner bei den Videoanrufen mit den Angehörigen. Der Rückgang der Absenzen der Mitarbeitenden während der ersten Welle wurde als erfreulich wahrgenommen.

Entscheidungen und Kommunikation

Klare Entscheidungen und die adressatengerechte und zeitnahe Kommunikation wurde von den Mitarbeitenden als sicherheitsvermittelnd erlebt.

Reflexion

Die Möglichkeit, in Ethik-Veranstaltungen berufliche Dilemmata im Zusammenhang mit COVID-19 zu reflektieren, wurde genutzt und als hilfreich beschrieben.

Führung und Zusammenarbeit

Aspekte der Zusammenarbeit wie Unterstützung und Präsenz des Kaders, positive Einstellung der Mitarbeitenden, gute Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen waren weitere Pfeiler, die einen unterstützenden Einfluss auf die Bewältigung der Krise hatten.

Wertschätzung

Gratis-Znüni oder -Zvieri und kleinere Geschenke wurden als Zeichen der Wertschätzung geschätzt.

Erfolge

Die Mitarbeitenden sind stolz darauf, dass es gelang, Ansteckungen mit COVID-19 zu vermeiden. In der kurzen Zeitspanne, in der die Bewohnerinnen und Bewohner eine Maske tragen mussten, spürten die Mitarbeitenden ein hohes Commitment, dass sie erfreute und die Arbeitsmotivation erhöhte.

Alle diese Massnahmen und Erfahrungen wirkten sich positiv auf die Emotionen der Mitarbeitenden aus. Ängste und Ärger wurden vermieden, Ruhe, Gelassenheit und so die Möglichkeit, die Krise als Herausforderung zu betrachten und positive Energien freizusetzen, gefördert.

Um der Krise auch weiterhin mit der gewünschten Motivation zu begegnen, wurden in der Mitarbeitenden-Informationsveranstaltung Verbesserungspotential und zusätzliche Massnahmen abgeleitet. Dieses Vorgehen wird folgender, von Bengel und Lissenko im 2012 beschrieben Charakteristika der Resilienz gerecht: Resilienz ist dynamisch und entwickelt sich im zeitlichen Prozess.

Quellenangaben:

Bengel, J. & Lyssenko, L. (2012): Resilienz und psychologische Schutzfaktoren von Gesundheit im Erwachsenenalter. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Band 43. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Dudus, E. (2020): Rückmeldungen zum Umgang mit der 1. Coronawelle. Zürich: Internes Dokument des Pflegezentrums Bachwiesen.

Gatterer, H. (2020): In produktiver Anspannung durch die Corona-Krise. Frankfurt am Main: zukunftsInstitut.de

Masten, A.S. (2001a): The Ordinary magic. Resilience processes in development. American Psychologist, 56 (3), 227-238.

Reivich, K., & Shatte, A. (2002): The Resilience Factor: 7 Keys To Finding Your Inner Strength And Overcome Life’s Hurdles. New York: Broadway Books.

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