Qualitätsparameter «Palliative Care» in der täglichen Praxis: von Perlen und Stolpersteinen.. hin zur Organisationsentwicklung

Text von Marcel Maier, Leiter Schulungszentrum Gesundheit SGZ, Pflegezentren der Stadt Zürich: Im Herbst 2009 verabschiedete die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) die Nationale Strategie Palliative Care 2010 – 2012 (BAG 2009) Schon vorher war Palliative Care ein strategischer Schwerpunkt der Pflegezentren der Stadt Zürich (PZZ). 2012 wurden in den PZZ eigene Qualitätsparameter definiert, die stark auf die Nationalen Leitlinien Palliative Care  (BAG 2010) und die Qualitätskriterien für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung (Liste C – für Langzeitpflege und -betreuung) (palliative.ch 2011) ausgerichtet sind.

Die Qualitätsparameter Palliative Care der Pflegezentren der Stadt Zürich umfassen drei grosse Themenbereiche:

Organisationsorientierung/Konzeptionelle Ausrichtung
Hier ist beispielsweise vorgegeben, dass jeder Betrieb der Pflegezentren über eine interdisziplinäre Ethikgruppe verfügt. In dieser soll mindestens ein Mitglied mit ausgewiesenen Kenntnissen im Bereich Ethik vertreten sein. Ferner müssen Verantwortlichkeiten, Prozesse und Instrumente zur Verankerung und kontinuierlichen Weiterentwicklung von Palliative Care definiert sein.

Personelle und fachliche Ressourcen
Ein Qualitätsparameter schreibt beispielsweise vor, dass neue Mitarbeitende adressatengerecht in die Thematik Palliative Care eingeführt werden. Zudem soll sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf die persönlichen sowie situativen Bedürfnisse der Bewohnerinnen, Bewohner und deren Angehörige ausrichten.

Bewohner/-innen und ihre Angehörigen/externen Bezugspersonen
Unter anderem wird definiert, dass der persönliche oder mutmassliche Wille der Bewohnerinnen und Bewohner massgebend für die Behandlungsplanung und Tagesgestaltung sein muss, um die aus ihrer Sicht bestmögliche Lebensqualität zu erreichen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Symptommanagement. So soll die Behandlung und Pflege – auch in der Sterbephase – auf aktuell wissenschaftlichen und evidenten Erkenntnissen basieren.

Insgesamt sind 16 Qualitätsparameter definiert, deren Ausgestaltung den Betrieben der Pflegezentren überlassen ist. Dieses Vorgehen berücksichtigt die Individualität, die Infrastruktur, die Organisationsstruktur und die fachlichen Schwerpunkte der einzelnen Häuser.

Knapp vier Jahre nach Inkrafttreten der Qualitätsparameter wurde im November 2016 der Umsetzungsgrad in den Betrieben überprüft. Im Fokus stand, wie die einzelnen Qualitätsparameter in der Praxis umgesetzt werden und wo mögliche Herausforderungen zu sehen sind. Ebenso wurde überprüft, welche Massnahmen gut umgesetzt werden konnten und wo die einzelnen Häuser voneinander lernen können. Anschliessend legten die Geschäftsleitung, die Leitungen Pflegedienst und die leitenden Ärztinnen und Ärzte weitere Massnahmen fest.

Vorbereitung und Datengrundlage

Zur Vorbereitung und als Datengrundlage für die Überprüfung wurden die Betriebe aufgefordert, eine standardisierte und strukturierte Selbstbeurteilung durchzuführen. Diese war analog zu den geforderten Qualitätsparametern aufgebaut und deckte diese vollumfänglich ab. Die Selbstbeurteilung erbrachte folgende Resultate:

Organisationsorientierung/Konzeptionelle Ausrichtung
Positiv hervorzuheben ist, dass in allen Betrieben professionelle Krisen- und Nachtbetreuung durch Freiwillige Mitarbeitende gewährleistet wird. Zudem haben die Mitarbeitende die Möglichkeit, sich in schwierigen Situationen von kompetenten Stellen adäquat coachen und beraten zu lassen.

Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass noch nicht alle Betriebe eine Ethikorganisation etabliert haben. Zudem haben einige noch kein hausspezifisches, interdisziplinäres Palliative Care-Konzept.

Personelle und fachliche Ressourcen
Übereinstimmend wird angegeben, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit aktiv gelebt wird. Dies zeigt sich beispielsweise in einer durchgängigen Kommunikation oder interdisziplinär stattfindenden Fallbesprechungen oder Rapporten.

Das Leistungsangebot Palliative Care ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich stark ausgebaut. So bieten nicht alle Betriebe eine psychologische Beratung, Basale Stimulation oder Aromapflege an. Die interdisziplinäre Qualifizierung des Personals erfolgt nicht überall systematisch.

Bewohner/-innen und deren Angehörigen/externen Bezugspersonen
In allen Betrieben erfolgt eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Angehörigen. Die pflegerischen und medizinischen Behandlungen sind auf dem neusten Stand und erfolgen nach bekannten, empfohlenen Standards. Grossen Wert legen alle Betriebe darauf, den Willen der Bewohner/-innen zu berücksichtigen.

Als verbesserungswürdig wird die Symptomerfassung und –beurteilung bewertet. Eine weitere Schwierigkeit liegt im Umgang mit der Reservemedikation, die im Bedarfsfall nicht immer konsequent ausgeschöpft wird.

Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Betriebe waren aufgefordert, ergänzend zu den in der Selbstevaluation genannten Fakten über besondere Leistungen, Errungenschaften oder Vorzüge («best practice») zu berichten. Auch sollten Herausforderungen, Stolpersteine und betriebliche Grenzen erörtert werden.

Als «best practice» wurden beispielsweise genannt:

  • Ein Betrieb verfügt über das Label «Qualität in der Palliative Care»
  • Einzelne Betriebe verfügen über eine Fachgruppe oder Fachstelle «Palliative Care» und/oder über Mitarbeitende mit einer höheren Fachbildung in Palliative Care
  • In den meisten Betrieben wird Palliative Care systematisch bei der Einführung neuer Mitarbeitenden thematisiert. Vereinzelt sogar bereits beim Rekrutierungsprozess (interdisziplinär)
  • Die Mitarbeitenden sind gesamthaft gut geschult. In einzelnen Betrieben besuchen alle Mitarbeitenden – unabhängig von Funktion und Hierarchiestufe – den Basiskurs A1

Als Herausforderung/Stolpersteine wurde unter anderem genannt:

  • Mangelnde Ressourcen und ein absorbierender Alltag, der manchmal zu wenig Raum für die gewünschte individuelle Betreuung zulässt
  • Wenig Öffentlichkeitsarbeit zu den Angeboten in der Palliative Care Seitens der Betriebe und der Pflegezentren
  • Die Pflegezentren verfügen über keine spezialisierte Abteilung für Palliative Care
  • Palliative Care bei allen Mitarbeitenden als Grundhaltung nahe zu bringen

Weitere Massnahmen
Die Resultate zeigen einen sehr guten Umsetzungstand. Allerdings wurden auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben deutlich erkennbar. Hieraus ergaben sich folgende Themenschwerpunkte und Massnahmen:

  • Es gibt künftig weitere Schulungen zu Symptommanagement und Schmerzbehandlung.
  • Im kommenden Jahr wird im Pflegezentrum Mattenhof eine spezialisierte Abteilung für Palliative Care aufgebaut.
  • Ein überbetriebliches Austauschforum für Palliative Care soll eingerichtet werden.
  • Die externe Kommunikation wird verstärkt, um Aktivitäten und Angebote in der Palliative Care bekannt zu machen.
  • Die Überprüfung der Umsetzung der Qualitätsparameter wird auf die Praxis ausgeweitet. Fachaudits werden im ersten Halbjahr 2018 in allen Betrieben durchführt.

Fazit und Ausblick

Es wurde erstmals eine Bestandsaufnahme vorgenommen, mit der die Geschäftsleitung der Pflegezentren zu wichtigen Erkenntnissen und Entscheidungsgrundlagen gelangen konnte. Gezielte strategische Interventionen konnten initiiert werden.

Auch in den einzelnen Betrieben sorgte diese Auslegeordnung nochmals für einen Anschub, um das Engagement in der Palliative Care zu forcieren. Einmal mehr hat sich bestätigt, dass Palliative Care eine Haltungsfrage ist.. Es zählt das interdisziplinäre Engagement aller Beteiligten auf alle Hierarchiestufen und nicht das Initiieren von Einzelmassnahmen.

Dr. phil. Marcel Maier, Leiter Schulungszentrum Gesundheit SGZ

Literatur:

Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) (Hrsg.) 2009. Nationale Strategie Palliative Care 2010 – 2012

Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Schweizerische Konferenz der kantonalen

Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) (Hrsg.) Nationale Leitlinien Palliative Care 2010 https://www.palliative.ch/fileadmin/user_upload/palliative/fachwelt/H_%20Downloads/Nationale_Leitlinien_PC_de.pdf

Palliative.ch. 2011. Qualitätskriterien für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung (Liste C – für Langzeitpflege und -betreuung) https://www.palliative.ch/fileadmin/user_upload/palliative/fachwelt/E_Standards/agqualitaet_kriterienliste_C_DE.pdf

Kommentare: 0 | Autor: Marcel Maier (PZZ) | Kategorien: KategorieArbeiten in der GerontologieKategoriePraxisprojekte

Alle
Praxis

Kommentar Schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert