Palliative Care – das machen wir doch? Oder etwa nicht?

Text: Monika Eigler, Leiterin Pflegedienst Mattenhof/Irchelpark

Als wir im 2010 anfingen, uns vertiefter mit dem Thema Palliative Care an Hand PZZ internen Qualitätsparametern auseinander zusetzen, merkten wir rasch, dass es auf der einen Seite sehr viel Wissen, Meinungen, Erfahrungen und Vorstellungen gab. Auf der anderen Seite diese recht breit gefächert waren, und es genau so viele Unsicherheiten und Fragen gab. So galt es bei der Auseinandersetzung und Bearbeitung, diese vielen einzelnen Aspekte zu bündeln und zu verdichten.

Das Sterben, die End of Life Care, ist sicher ein Teil der Palliative Care, aber eben nicht der Einzige. Es galt zum Beispiel zu klären, dass Palliation nicht „nur“ aufs Sterben fokussiert, sondern in Gegenteil aufs Leben und die Lebensqualität abzielt.

So ist es ein wesentlicher Aspekt, mit den Angehörigen und Bewohnenden immer wieder im Dialog zu sein und zu vermitteln, dass Palliation nicht heisst, man macht nichts. Sondern im Gegenteil – gerade in der Palliativsituation gilt es sehr viele Themen zu beachten., Aus einem riesigen Repertoire an Massnahmen kann je nach individueller Situation ausgewählt werden. Zentral für die Betreuung und insbesondere auch für die Gespräche mit allen Beteiligten, ist die möglichst präzise Einschätzung der Phasen in einer Palliativsituation.

Innerhalb des Verlaufes wechseln sich stabile und instabile Phasen ab. Wobei das Ziel der Betreuung darin liegt, insbesondere in den instabilen Phasen, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern und die Krankheitsbewältigung (physisch/psychisch) zu unterstützen (Corbin & Strauss, 2004). Nach der Phase des inneren Rückzugs knüpft die terminale Phase an. Diese Phase lässt sich nicht exakt definieren; sie kann über Stunden bis zu wenigen Monaten andauern. Somit kann klar aufgezeigt werden, dass Palliative Care nicht nur in der Sterbephase erfolgt.

Palliative Care von den Anfängen zum Label

In allen diesen Situationen und Phasen ist der Fokus auf die vom Bewohner, von der Bewohnerin definierte Lebensqualität zu legen. Damit die möglichen Symptome umfänglich erfasst und immer wieder evaluiert werden können, ist ein Arbeitspapier (Abb.1) entstanden, welches auf einen Blick die aktuelle Situation der Bewohnerin/des Bewohners erkennen lässt.

Abbildung 1: Individuelles Palliative Care Konzept - Übersicht aktuelle Palliativsituation

Abbildung 1: Individuelles Palliative Care Konzept – Übersicht aktuelle Palliativsituation

Die Erfahrungen in der Praxis zeigen auf, dass das interdisziplinäre Team an Hand des individuellen Palliation Care Konzepts die aktuelle Situation der Bewohner/-innen systematischer erfassen und beurteilen kann.

Nach umfassenden Vorarbeiten und Schulungen fand am 10. Februar 2014 das Audit zum Erlangen des „Labels Qualität in Palliative Care“ statt. Drei Fachpersonen (ein leitender Arzt, eine Psychologin und eine Pflegefachfrau für Onkologiepflege MNS) unter der Leitung eines Projektleiters der sanaCERT suisse auditierten im Auftrag von palliative.ch einen Tag lang den Gesamtbetrieb Mattenhof und Irchelpark.

Primäres Ziel des Audits war es jedoch nicht, noch ein Label zu bekommen. Wichtig war uns eine Fremdbeurteilung, um ein möglichst unparteiisches und wahrheitsgetreues Bild über den Stand der Palliative Care Umsetzung in der Praxis und der Qualitätsentwicklung zu erhalten. Insgesamt wurden in Gruppeninterviews, aber auch mit Begehungen einzelner Bereiche und Begleitung von Personen im Arbeitsalltag 65 Qualitätskriterien überprüft und beurteilt. Im Anschluss an diesen (sehr anstrengenden) Tag erhielten wir eine mündliche Zusammenfassung. Zu unsere Freude konnten wir als Betrieb 89 % der Kriterien als erfüllt betrachten. Es mussten seitens sanaCERT keine Auflagen erteilt, sondern nur Empfehlungen abgegeben werden.
Aber……
Fertig sind wir deswegen mit der Umsetzung Palliative Care noch nicht. Es gilt die von formulierten Empfehlungen zu prüfen und umzusetzen.

Stufenweise Fortbildung

So stehen weiterhin Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Bereiche zum Thema Palliative Care an.

Die erste Stufe der Palliative Care Fortbildung (nach palliative.ch) (Abb.2) ist die sogenannte A1 Schulung. Diese dauert 3 Tage und ist für Mitarbeitende gedacht, „die gelegentlich in ihrem Berufsalltag mit chronisch kranken Menschen oder akuten Situationen am Lebensende konfrontiert sind“. Diese Schulung ist für alle Mitarbeitende des Pflegezentrums Mattenhof, Irchelpark obligatorisch. In einem weiteren Schritt folgt die A2 Schulung, diese ist für „Berufsfachleute im Gesundheitswesen, die gelegentlich palliative Patienten und deren Familien begleiten“. Diese Fortbildung ist für mindestens ein bis drei Pflegende pro Pflegeabteilung und Betreuungsbereich, sowie Mitarbeitende der Aktivierungstherapie, Physiotherapie etc. gedacht. In einem dritten Schritt besucht mindestens eine Mitarbeitende, ein Mitarbeiter der genannte Bereiche die B1 Schulung. Die B1 Schulung ist für sämtliche Berufsgruppen des Gesundheitswesens gedacht, die oft mit palliativen Situationen zu tun haben bzw. diese zum Arbeitsalltag gehören. Die B2 Schulung ist für Berufsleute des Gesundheitswesens, bei denen im Berufsalltag vor allem Palliative Care Situationen im Vordergrund stehen“. Dieses Ausbildungsniveau gehört zum Bereich der spezialisierten Versorgung. Es ist noch nicht eindeutig geklärt, ob und wie viele Mitarbeitende der Pflegezentren der Stadt Zürich dieses Ausbildungsniveau absolvieren werden. Eine weitere Entwicklungsmöglichkeit ist z. B. ein Master in Palliative Care. Aktuell absolviert ein dipl. Pflegefachmann im Pflegezentrum Mattenhof und Irchelpark diesen Studiengang. Als Beauftragter Palliative Care steht er als Unterstützung allen Bereich zur Seite.

Abbildung 2: Ausbildungsniveaus palliative.ch

Abbildung 2: Ausbildungsniveaus palliative.ch

Palliative Care im Alltag erkennen

Es stellt sich natürlich die Frage, ob und wie sich diese Bildungsmassnahmen im Alltag zeigen.

Sicher ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit, das gegenseitige Verständnis für die Thematik deutlich bemerkbar. Auch durch die Klärung einzelner Begriffe, Werte und Haltungen, zeigt in der täglichen Zusammenarbeit, dass ein gemeinsames Verständnis, nicht nur zum Thema „Palliative Care“ vorliegt und gelebt wird, sondern auch die gesamte Betriebskultur eine deutliche Prägung erhalten hat. Palliative Care ist nicht mehr ausschliesslich im Fokus von Pflege und Medizin. So bearbeitet der stellvertretende Küchenchef im Rahmen seiner Weiterbildung zum Heimkoch das Thema Ernährung in der End of Life Phase. Unterstützung holt er sich interdisziplinär bei Kolleginnen aus der Pflege und Administration.

Es zeigt sich auch, dass eine weitere, vertieftere Bearbeitung einzelner Themen nötig ist. Ein zentrales Thema, an dem wir weiter arbeiten, ist der Umgang mit den verschiedenen Formen von Schmerz und Nöten, angefangen vom emotionalen bis hin zum körperlichen Schmerz.

Die grösste Herausforderung sehe ich allerdings immer noch im Beraten und in der Kommunikation mit den Bewohnenden und deren Angehörigen. Sind doch die Gespräche über Leben, Sterben und Abschied und Hoffnung die Anspruchsvollsten. Diese Themen konfrontieren auch die Betreuenden mit ihrer eigenen Endlichkeit.

Mit einem Zitat zu Schluss möchte noch meiner persönlichen Haltung zum Leben und Sterben Ausdruck geben:

In 20 Jahren wirst Du dich mehr ärgern über Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast.
Also wirf die Leinen und segle fort aus deinem sicheren Hafen. Fang den Wind in Deinen Segeln. Forsche. Träume. Entdecke (Mark Twain).

Literatur

Corbin Juliet M. & Strauss Anselm L. (2004) Weiterleben lernen. Verlauf und Bewältigung chronischer Krankheiten. 2. Auflage. Hans Huber Verlag: Bern

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