Hans im goldenen Käfig: eine Geschichte

Projekt «Aufgeweckte Kunst-Geschichten»
Ein Angebot für Menschen mit Demenz und Ihre Angehörigen im Kunsthaus Zürich

Menschen mit Demenz werden im Kunsthaus Zürich zu einem ausgewählten Kunstwerk geleitet und beginnen unter fachkundiger Anleitung lustvoll eine gemeinsame Geschichte zu entwickeln. Die Antworten werden notiert und anschliessend zu einer Geschichte verdichtet. Die Angehörigen können diesem kreativen Prozess beiwohnen. Die Bildbesprechung wird durch einen gemütlichen Austausch bei einem Apéro abgeschlossen. Nachfolgend eine Geschichte, die an einem solchen Treffen entstanden ist.

Hans im goldenen Käfig

Wir sind in einem Kinderzimmer, einem besonders schönen mit goldenen Wänden.
Der kleine Junge – Hansi oder Hansli – schaut ernst und möchte was von uns.
Sieht er wie ein Kind aus?
Er hat was Festes, Konzentriertes – ein Puppenkopf, ein Madonnengesicht,
wunderbar fein gemalt mit gelben Haaren.
Auf jeden Fall ist er kein Mädchen, so wie er aussieht.

Er will was zeigen, einen Ball im Arm und in der Hand einen Holzwürfel, und etwas aus Papier oder Geld.
Hansi trägt einen Pyjama aus Samt, nichts Leichtes, darunter Stulpen.
Unten die Finken sind praktisch – rosarot.
Irgendwas mit Federn hat er auf dem Kopf.
Es erinnert an die Mützen, die die katholischen Geistlichen getragen haben, oder an einen glänzenden Gummi wie bei einer Bademütze.
Da ist ein Stilbruch: Wieso trägt so ein feines Gesicht eine Gummikrone?

Das Kind strahlt fast, schaut aber ernst, traurig. Warum wissen wir nicht.
Vielleicht weil Mutter und Vater nicht da sind?
Wenn es Eltern gibt, sind sie reich, schlafen noch oder sind in der Küche beim Frühstücken.
Die Mutter ist sicher da, kann ja das Kind nicht allein lassen mit zweieinhalb oder 6 Jahren.
Vielleicht hat er keine Geschwister, ist ein Einzelkind.
Der wird mal später König, weil er jetzt schon eine blaue Gummikrone trägt.
Oder Priester wegen seinem Gesicht, das ernst und ruhig guckt.
Oder er wird einen höheren Beruf haben – zum Beispiel Doktor.
Sicher ist er intelligent, sonst könnte er nicht so ruhig sein, klug und ernst.

Vielleicht sollte er mal auf die Schaukel, Musik machen mit einer Handorgel, damit er fröhlicher wird.
Vielleicht sollte man ihm einen zweiten Blumenstrauß geben.
Vielleicht sollte er auch mal alles wegwerfen, das Buch einfach hoch-schmeißen.

Ich sehe immer nur den Federhansli mit den roten Schuhen und Geld in der Hand,
der von Spielkameraden träumt, weil es allein nicht schön ist.
Er hat alles, aber keinen Menschen.
Ob es wohl schön ist, als Kind in einem Zimmer mit Goldwänden zu wohnen?

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