Freundschaften im höheren Lebensalter – neue Entwicklungen

Zeitvergleiche belegen, dass mehr ältere und alte Menschen enge Freundschaftsbeziehungen pflegen, als dies bei früheren Generationen der Fall war. Im hohen Lebensalter fallen alte Freunde teilweise weg, aber der Anteil an Menschen, die im höheren Lebensalter neue freundschaftliche Beziehungen eingehen, ist tendenziell steigend. 

Die erhöhte Bedeutung von Freundschaftsbeziehungen bei heutigen älteren Menschen ist eng mit zentralen strukturellen und generationellen Wandlungen des Alters verbunden:

Gleichaltrigenkontakte werden wichtiger

Erstens kommen mit dem Altern der geburtenstarken Jahrgänge (Babyboomer) Frauen und Männer ins Rentenalter, die in ihrer Jugend und ihrem jungen Erwachsenenalter stark von Peergroup-orientierten sozio-kulturellen Strömungen (Jugendbewegung, Rock & Roll usw.) geprägt wurden, zumindest in Westeuropa. Die damals entstandenen Kontakte mit Menschen der gleichen Generation wirken bis heute nach. Die Bildungsexpansion – mit dem Ausbau von Universitäten und Fachhochschulen – hat die Auskristallisierung von Freundschafts­beziehungen unter gleichaltrigen Menschen zusätzlich verstärkt, da damit Frauen und Männer häufiger und länger in einer durch Gleichaltrigenkontakte bestimmten jugendnahen Lebensphase verbringen. Die verstärkte Erwerbsorientierung junger Frauen hat die Exklusivität familialer Orientierungen zusätzlich aufgebrochen. Während frühere Generationen von Frauen sich mit der Eheschließung primär an familialen Bezügen orientierten, kombinieren neuere Generationen von Frauen (und zusehends auch neue Generationen von Männern) im Rahmen offener Partnerbeziehungen verstärkt familiale und außerfamiliale Kontakte (wie Freundschaftsbeziehungen), und dies auch in der nachberuflichen Lebensphase.

Aktivere Lebensgestaltung

Zweitens profitieren immer mehr ältere Frauen und Männer von einem langen gesunden Rentenalter. In der Schweiz beurteilten 2018 über 80% der 65-74-jährigen Menschen ihre Gesundheit als gut bis sehr gut ein. Kombiniert mit einer verbesserten wirtschaftlichen Absicherung im Rentenalter und postmodernen Lebensorientierungen trägt dies zu einer aktiveren Gestaltung der nachberuflichen Lebensphase bei. Mehr ältere Frauen und Männer als früher sind auch im Rentenalter sportlich, sozial und kreativ aktiv. In diesem Rahmen setzen sich vermehrt aktivere Formen der Beziehungsgestaltung durch (was aktuell etwa in einer gezielten Neugestaltung von Nachbarschaftskontakten, der Gründung von Seniorenvereinen oder gezielten Generationenprojekten seinen Ausdruck findet).

Langjährige und neue Freundschaften

Was Freundschaften im höheren Lebensalter betrifft, ergibt sich vermehrt eine Aus­differenzierung zwischen langjährigen Freundschaftsbeziehungen – die durch gemeinsame Jugenderlebnisse oder Generationengemeinsamkeiten geprägt sind – und neuen freizeitbezogenen freundschaftlichen oder zumindest freundschaftsnahen Beziehungen, die nach der Pensionierung durch gemeinsame Freiwilligenarbeiten oder gemeinsame sportliche und kreative Tätigkeiten entstehen. Im hohen Lebensalter bzw. wenn alltagsbezogene Hilfeleistungen wichtiger werden, können auch freundschaftliche oder freundschaftsnahe Hilfe- und Unterstützungsbeziehungen entstehen, etwa wenn sich dank regelmäßiger Nachbarschaftshilfe bisherige nachbarschaftliche Kontakte in Richtung freundschaftlicher Beziehungen entwickeln oder wenn hilfeleistende Freiwillige oder Professionelle als Vertrauenspersonen wahrgenommen werden. Langjährige Freundschaftsbeziehungen und neue interessenbezogene freundschaftsnahe Beziehungen werden im Rentenalter teilweise kombiniert, teilweise aber auch segregiert (etwa dadurch, dass bei langjährigen Freunden gemeinsame biografische Erinnerungen ausgetauscht werden, wogegen bei freizeitbezogenen Freunden eher gemeinsame nachberufliche Aktivitäten im Vordergrund stehen). Während bei langjährigen Freunden im hohen Lebensalter eher das Absterben dieser Freunde ein Risiko darstellt, kann bei freizeitbezogenen Altersfreundschaften eher eine gesundheitlich bedingte Aufgabe von Aktivitäten zu einem sozialen Rückzug aus solchen Beziehungen führen. 

Referenz: 
Höpflinger, François (2019). Freundschaften im höheren Lebensalter. In: Steve Stiehler (Hrsg.) Zur Zukunft der Freundschaft. Freundschaft zwischen Idealisierung und Auflösung (S. 123–138). Berlin: Frank & Timme.

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