Familie und Printmedien sind die erste Wahl bei der Aneignung neuer Medienkompetenzen im Alter

Mit dem Beginn der Corona-Pandemie (COVID-19-Pandemie) im ersten Quartal 2020 wurden physische soziale Kontakte eingeschränkt und zunehmend durch digitale Lösungen der Kommunikation und Informationsbeschaffung wie beispielsweise Videochats ersetzt. Dadurch kam es teilweise zu einer «Beschleunigung» der digitalen Transformation, also zu einem schnellen Zuwachs an neu erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten im Umgang mit solchen digitalen Lösungen.

Im Homeoffice musste erlernt werden, wie eine Videokonferenz ausgestaltet wird, im Hausunterricht wurden Lerninhalte digital vermittelt und auch ältere Menschen in Alters- und Pflegeheimen hatten teilweise Zugang zu diesen Möglichkeiten, durch die sie immerhin «digital Besuch» von Angehörigen oder Freunden bekommen konnten (z. B. via Fotos oder über Nachrichten auf dem Smartphone). Dennoch hat uns die Pandemie-bedingte vermehrte Nutzung digitaler Lösungen auch daran erinnert, dass nicht alle älteren Menschen Zugang zum Internet haben und viele auch nicht über die notwendigen Kompetenzen zur Anwendung digitaler Lösungen verfügen; dies zeigt sich mit zunehmenden Alter umso deutlicher, da Personen unter 65 Jahren häufiger jene Kompetenzen aufweisen (Seifert, Cotten, & Xie, 2020). Doch auf welche Lernressourcen greifen ältere Menschen am liebsten zurück, um sich über neue Technik (z. B. die Nutzung von Smartphone oder Tablet für die Kommunikation auf physischer Distanz) zu informieren? Wen ziehen sie hier zurate? Diese Frage soll mithilfe einer Befragung unter Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Senioren-Universität Zürich beantwortet werden. 

Eine Studie aus Zürich 

Im Rahmen der 2018 durchgeführten Teilnehmerbefragung der Senioren-Universität Zürich (UZH3) (Seifert, 2019) konnten Fragen zum Themenbereich «Technikaneignung» gestellt werden. Die Grundgesamtheit der Befragung bildeten die in der UZH3-Adressdatenbank verzeichneten Personen. Sie wurden postalisch zur Teilnahme eingeladen. Im Anschreiben wurden die Ziele der Befragung, die Teilnahmemodalitäten sowie die Freiwilligkeit der Studienteilnahme erläutert. Teilnehmen konnten die angefragten Personen entweder über einen Link zu einer Onlinebefragung oder alternativ mittels eines beigelegten schriftlichen Fragebogens mit gleichem Inhalt und einem vorfrankierten Rücksendekuvert. Von den angeschriebenen Personen nahmen 212 online und 599 postalisch teil (die Rücklaufquote lag bei 28 %). Die Stichprobe beinhaltet 811 Personen im Alter zwischen 56 und 96 Jahren (M = 71,9; SD = 6.27). 50,2 % der Befragten sind Frauen und 49,8 % Männer. Die Mehrheit ist pensioniert, wohnt in einem Privathaushalt, ist verheiratet oder lebt in einer Partnerschaft. Beim Bildungsstand zeigen sich fast die gleichen Anteile von Absolventen der Sekundar- und Tertiärstufe. Die meisten der Befragten kommen aus der Stadt Zürich oder dem Kanton Zürich, 22,4 % stammen von außerhalb.

Präferenzen bei der Technikaneignung 

Die Befragten sollten erklären, wie wichtig ihnen bestimmte Lernressourcen bei der Aneignung neuer technischer Kompetenzen (z. B. Erlernen des Umgangs mit dem Smartphone, Tablet oder Internet) sind. Auf einer Skala von 1 «sehr unwichtig» bis 5 «sehr wichtig» konnten die Teilnehmenden angeben, wie wichtig ihnen der entsprechende Aspekt ist. Geordnet nach dem Mittelwert ergibt sich folgende Rangordnung: 

  1. Familie/Freunde/Bekannte (3.79)
  2. Bücher/Zeitungen (3.62)
  3. Selbststudium (3.56)
  4. Kurse/Workshops (3.51)
  5. Vorträge/Vorlesungen (3.43)
  6. Fernsehen/Radio (3.38)
  7. Beratung/Sprechstunde (3.10)
  8. Onlinekurse (2.84)
  9. Infotreffs/Stammtische (2.51)
  10. Soziale Netzwerke/Blogs/Foren (2.26)

Es ist erkennbar, dass zuerst und vor allem die Familie bzw. der Freundes-/Bekanntenkreis angesprochen oder die Printmedien genutzt werden, wenn es um die Aneignung neuer Technikkompetenzen geht. Seltener herangezogen werden soziale Netzwerke, Onlineangebote oder Infotreffs und Stammtische. Das Selbststudium wird am dritthäufigsten genannt; hier sind es aber statistisch signifikant mehr Männer als Frauen, die sich für diese Variante entscheiden. Frauen hingegen wenden sich eher an Familienmitglieder oder Freunde. Moderne Ressourcen wie Onlinekurse oder soziale Netzwerke werden vorwiegend von Personen in Anspruch genommen, die bereits generell über viele technische Kompetenzen verfügen und z. B. oft und vielfältig das Internet selbst nutzen. 

Fazit

Die Untersuchung hat gezeigt, dass beim Erlernen neuer technischer Kompetenzen vor allem zuerst der familiäre Kreis bzw. Freundeskreis angesprochen und als wichtige Ressource hierfür angesehen wird. Weniger häufig werden andere Angebote wie z. B. Sprechstunden genutzt – und noch seltener digitale Lösungen wie z. B. Onlinekurse. Jedoch ergeben sich gerade hier Potenziale, wenn es darum geht, in Zeiten der physischen Distanzierung wie aktuell durch die COVID-19-Pandemie oder durch eine davon unabhängige mangelnde räumliche Nähe zu Familie oder Freunden neue Kommunikations- und Informationstechnologien zu erlernen (z. B. den Umgang mit einem Tablet). Dennoch sollte auch in der Post-Corona-Zeit ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, wie ältere Menschen neue technische Dinge erlernen möchten – und zwar gerade dann, wenn neue Informations- und Kommunikationstechnologien wie das Smartphone oder das Tablet immer mehr unseren Alltag begleiten. Hierbei sollten individuelle Lösungen der Kompetenzvermittlung erarbeitet und nicht eine Lernressource für alle offeriert werden. – Denn nicht nur das Alter ist heterogen, sondern auch die Lernbedürfnisse der älteren Menschen.

Literatur

Seifert, A., Cotten, S. R., & Xie, B. (2020). A Double Burden of Exclusion? Digital and Social Exclusion of Older Adults in Times of COVID-19. Journal of Gerontology: Social Scienceshttps://doi.org/10.1093/geronb/gbaa098

Seifert, Alexander. (2019). Senioren-Universität Zürich: Befragung der Teilnehmenden. PsyArXiv, (May 10). https://doi.org/10.31234/osf.io/z5v8p

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