Essen im Alter – Herausforderung für Langzeitinstitutionen

Ernährung ist speziell bei der alternden Bevölkerung ein grosses Thema. Dank kleiner Tricks ist eine ausgewogene und gesunde Ernährung aber auch im Alter gut möglich.

Vegetarisch, vegan, alkoholfrei oder gar Intervallfasten. Es gibt viele Arten sich gesund oder gesundheitsfördernd zu ernähren. Jeder ist frei, sich so zu ernähren, wie es für sich selbst als wichtig und richtig erscheint. Was aber ist, wenn die Wahlfreiheit eingeschränkt ist, wenn die Möglichkeit, das gewünschte Essen zu bekommen, schwieriger wird? Was, wenn ein Unvermögen, den Wunsch auszudrücken, aufkommt und wenn aufgrund einer kognitiven Einschränkung eine Wahl unmöglich wird oder aufgrund einer schweren Demenz das Essen als solches nicht mehr verstanden wird?

Hier sind Institutionen gefordert, alternden und kognitiv eingeschränkten Menschen die besten und gesündesten Möglichkeiten zu bieten, damit die Freude und der Genuss am Essen erhalten bleiben. Die Lust auf das Essen und das Geniessen sollen gefördert werden – die Pflegezentren der Stadt Zürich stellen sich dieser Herausforderung.

Ernährungsparameter als Leitlinie

Die Pflegezentren der Stadt Zürich haben ein Ernährungskonzept mit dazugehörigen Ernährungsparametern entwickelt. Erstes Ziel dabei ist, pflegebedürftigen alternden Menschen gesunde und ausgewogene Mahlzeiten anzubieten. Zur Anwendung kommen die Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Das Konzept beinhaltet zudem die Verwendung von frischen, saisonalen und wenn immer möglich regionalen Zutaten. Ausserdem wird auf eine eiweissreiche Ernährung geachtet.

Dabei arbeiten alle Professionen zusammen, denn immer stehen der körperliche und geistige Zustand und das Bedürfnis der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner im Fokus. Falls möglich wird zudem darauf geachtet, dass das Essen in der Gemeinschaft erlebt wird. Das fördert unter den Gästen die Kommunikation und schafft immer wieder Begegnungsmöglichkeiten für alle.

Lebensgeschichte und Schweizer Tradition

Die rund 1600 Menschen, die in den Pflegezentren der Stadt Zürich leben, haben dort ihr vorübergehendes oder stetiges Zuhause. Dabei ist die Mehrheit – rund drei Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner – von einer leichten bis schweren Demenz betroffen. Aus diesem Grunde fordert das Thema Ernährung alle beteiligten Fachpersonen speziell heraus, täglich ihr Bestes zu geben.

Die Lebensgeschichte der Bewohnerin oder des Bewohners ist dabei wichtig. Was den Menschen geprägt hat, was in der Kindheit gegessen wurde oder als Geschmack mit schönen Erinnerungen verbunden ist, soll im Alter wieder «wachgekocht» werden. Einfache und landestypische Gerichte wie Kartoffelauflauf oder Rösti mit Bratwurst erinnern an gemütliche Familienmittagstische. Darum greifen die Pflegezentren auf ein grosses Repertoire an Menüs aus der Schweizer Küche zurück und gerade alternde Bewohnerinnen und Bewohner freuen sich über Gerichte, die sie noch aus ihrer Jugend kennen.

Das Essen als Gemeinschaftserlebnis

In den Pflegezentren wurde beobachtet, dass sich Menschen mit Demenz aufgrund ihrer verminderten Erinnerungsfähigkeit nicht an ihre Menübestellung erinnern. Dies führte immer wieder zu Diskussionen und löste Unzufriedenheit aus. Ebenso wurde beobachtet, dass genau das, was am Nebenplatz serviert wird, am meisten begehrt wird. Aus diesem Grunde wurde auf den Abteilungen für Menschen mit Demenz die vorgängige Menübestellung abgeschafft und ein neues Schöpfsystem eingeführt.

Die Bewohnerinnen und Bewohner haben nun die Möglichkeit, spontan aus mehreren Komponenten zu wählen, ganz nach aktueller Lust und Freude. Mit dem Schöpfen am Tisch können die Wünsche umgehend erfüllt werden. Ebenso wird das Erlebnis des gemeinsamen Essens unterstützt und das Sozialverhalten nebenbei gefördert. Das Zusammensein und zugehörig fühlen wird damit begünstigt. Die gemütliche und familiäre Atmosphäre bewirkt zudem, dass sich alle Beteiligten während des Essens wohl und geborgen fühlen. Ein schön gedeckter Tisch und jahreszeitliche Dekoration helfen hier ebenso wie Rituale, die auf das Essen einstimmen.   

Essen und Mangel

Viele alternde Menschen leiden unter einer Mangelernährung. In den Pflegezentren der Stadt Zürich werden alle Bewohnerinnen und Bewohner bei Eintritt diesbezüglich interprofessionell abgeklärt. Eine ärztliche und pflegerische Anamnese zeigen erste Hinweise und Diagnosen. Bei Schluckstörungen führt eine medizinische Therapeutin oder ein medizinischer Therapeut Schluckabklärungen durch. Interprofessionelle Besprechungen klären das weitere zielorientierte Vorgehen. Damit kann ein Mangel sowohl frühzeitig entdeckt als auch behoben oder verhindert werden. Wenn die Bewohnerinnen oder Bewohner wieder nach Hause zurückkehren, können sie von der institutionsbegleitenden Ernährungsberaterin weiterbetreut werden.

Essen mit allen Sinnen

Auf den spezialisierten Abteilungen für Menschen mit Demenz wird ein grosses Frühstücksbuffet angeboten. Bewohnerinnen und Bewohner können ausschlafen und bis 10.00 Uhr ihr Frühstück zusammenstellen und geniessen. Sie werden während der Auswahl oder auch beim Essen je nach Bedarf von einer Person begleitet. Somit wird schon bei der ersten Mahlzeit am Tag auf Individualität geachtet und spezifische Wünsche werden berücksichtigt.

Auf Essinseln – kleinen Foodstationen – werden tagsüber an bestimmten Orten kleine Häppchen bereitgestellt. Diese animieren und laden zum Essen ein. Mithilfe von Fingerfood kann dem ursprünglichen Drang «von der Hand in den Mund» nachgegeben und mit den Fingern gegessen werden.

Regelmässiges Frontcooking fördert die Anregung der Sinne der Bewohnerinnen und Bewohner. Wenn auf den Abteilungen Zwiebeln angebraten werden oder ein Kuchen im Ofen duftet, läuft den Bewohnerinnen und Bewohnern bereits das Wasser im Munde zusammen. Auch die Lust auf eine warme Scheibe Brot wird grösser, wenn das Brot auf den Abteilungen mit eigenen Brotmaschinen gebacken wird. Die verschiedenen Professionen sind voller Kreativität, um die Sinne zu stimulieren und entwerfen immer wieder neue Ideen, damit die Bewohnerinnen und Bewohner mehr Lust und Genuss am Essen haben.

Die Pflegezentren freuen sich, weiterhin neue Ideen umzusetzen und damit die Herausforderung des Essens in Langzeitinstitutionen mit Freude und Engagement anzugehen. Damit auch in Zukunft das Essen Lust, Genuss und Freude bereitet.  


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Praxis

Kommentar

Liebe Susanne, vielen Dank für deinen interessanten Artikel. Wir durften im temporären Pflegezentrum Irchelpark sehr gute Erfahrungen mit dem Schöpfsystem sammeln. Die Bewohnenden haben es sehr geschätzt, dass sie spontan wählen konnten und haben jeweils sehr gerne gegessen. Häufig verlangten sie die eine oder andere Komponenten des Menüs zusätzlich oder assen eine zweite Portion. Liebe Grüsse Maren

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