Eine neue Publikation der SGG bietet Hilfe für die ethische Entscheidfindung in komplexen Situationen der ambulanten und stationären Langzeitpflege. Im ansprechend gestalteten Buch erläutern die Autorinnen und Autoren Fallbeispiele, erklären zentrale Begriffe und regen mit Fragen die Reflexion im Entscheidungsprozess an. Es vertieft damit Fragestellungen, die auch in der gegenwärtig laufenden Ringvorlesung des Zentrums für Gerontologie zu «Altern, Sterben und Tod» zur Sprache kommen.
Die Erwartungen und Ansprüche an Medizin und Pflege nehmen in unserer Gesellschaft zu. Häufig erwarten Kranke oder ihre Angehörigen, dass alles gemacht wird, was medizinisch machbar ist. Medizinische und pflegerische Fachpersonen werden mit komplexen ethischen Fragen konfrontiert. Wie gehen sie damit um? Sie müssen sowohl dem «Wohl des Patienten» als auch dem «Willen des Patienten» entsprechen. Die Praxis lehrt, dass die Urteilsfähigkeit von alten und kranken Menschen oft eingeschränkt ist. Bei Urteilsunfähigkeit muss die vertretungsberechtige Person entscheiden. Auch sie muss vom Fachpersonal informiert werden. Diese Aufgabe kann sehr belastend sein, ja sogar überfordern und zu einem Entscheid führen, der nicht dem Willen der kranken Person entspricht. Die Beteiligten brauchen zusätzlich zur ärztlichen Information emotionale und spirituelle Unterstützung, um angemessen entscheiden zu können.
Ärztinnen, Ärzte und Pflegende stehen oft unter einem Rechtfertigungsdruck. Sie können verklagt werden, wenn sie gewisse Massnahmen vorgeschlagen und – ohne Absicht – möglicherweise gegen eine der stets zahlreicher werdenden Richtlinien verstossen haben.
Das Verhalten bei Krankheit, im Sterben und gegenüber dem Tod ist längst nicht mehr schicksalshaft vorgegeben. Der Prozess der Entscheidfindung ist oft vielschichtig. Die Haltung und das persönliche Befinden der beteiligten Personen sind dabei ebenso wichtig, wie deren Weltanschauungen und Wertsysteme sowie das soziale Bezugsnetz des alten und kranken Menschen.
Beispiele aus der Praxis
Der erste Teil des Buches enthält sechs Fallbeispiele. Die Autoren/innen beschreiben typische Situationen, in denen schwierige Entscheide gefällt werden müssen. Sie schildern den Prozess der Entscheidfindung je aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten und stellen Fragen wie:
- Was bedeutet «bis zuletzt die Verantwortung übernehmen und selber entscheiden?»
- Regelt die Patientenverfügung alles?
- Was bedeutet das Versprechen «immer füreinander da sein»?
- Wird durch den Eingriff die Lebensqualität verbessert oder das Leiden verlängert?
Das Buch will zur Reflexion einladen. Unterschiedlichste Gefühle begleiten eine Entscheidfindung. Es ist wichtig, dass die Betreuenden bereit sind, sich in die Lebensgeschichte der Patientin einzufühlen und dabei ihre eigenen Befindlichkeiten und beruflichen Vorgaben in jeder neuen Situation überdenken.
Begriffe und Rechtliches
Im zweiten Teil werden Begriffe erläutert wie: Dialog, Autonomie, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Lebensqualität, informierte Zustimmung, Ressourcen, Werthaltungen, ethisches Dilemma und Güterabwägung.
Der dritte Teil beleuchtet rechtliche Aspekte: das Erwachsenenschutzrecht, die Patientenverfügung, der Vorsorgeauftrag und die Urteilsfähigkeit.
Im abschliessenden vierten Teil folgen Hinweise auf einschlägige Literatur.
Arbeitsgruppe Ethik und Spiritualität der Schweizerischen Gesellschaft für Gerontologie (SGG/SSG)
Ethische Entscheidfindung in der ambulanten und stationären Langzeitpflege
Eine Handreichung für Fachleute, Angehörige und Freiwillige.
Autor/inn/en: SGG-Arbeitsgruppe Ethik und Spiritualität der SGG. 96 Seiten, SGG SSG 2015.
Preis: CHF 18.–, Bestellung: www.sgg-ssg.ch
Altern, Sterben und Tod
Ringvorlesung des Zentrums für Gerontologie im Frühjahr 2015
14-täglich am Mittwoch, 18.15 – 19.45 Uhr, Universität Zürich (Zentrum), KOL-F-121; nächste Veranstaltung am 22. April 2015
Programm und Dokumentation: http://www.zfg.uzh.ch/veranstalt/vorlesung/