Die Heterogenität der älteren On- und Offliner – Relevanz für Schulungskonzepte

Wie bereits in einem früheren Beitrag besprochen wurde, nimmt das Internet an Bedeutung auch für den Alltag älterer Menschen zu. Bei der grundsätzlichen Betrachtung der Frage «Wer hat Zugang und wer nicht?», wird häufig die Heterogenität der älteren Personen vernachlässigt. Der vorliegende Beitrag möchte aufzeigen, dass sowohl bei den «Onlinern» als auch bei den «Offlinern» unterschiedliche Personengruppen vorzufinden sind. Diese Heterogenität sollte bei möglichen Schulungsangeboten berücksichtigt werden.

Der frühere Beitrag von Seifert präsentierte die Ergebnisse der 2015 veröffentlichten Studie zum Thema «Internetnutzung im Alter». Es konnte anhand der repräsentativen Schweizer Befragungsstudie gezeigt werden, dass 2014 erst 56 % der befragten Personen ab 65 Jahren angaben, sie nutzten das Internet. Die Nutzung des Internets unterschied sich dabei auch zwischen den älteren Personen. Es konnte aber auch festgestellt werden, dass die Gruppen der Onliner wie die der Offliner heterogen sind; in diesem Sinne kann gesagt werden, dass ein Onliner nicht per se ein intensiver Internetnutzer ist und ein Offliner nicht per se das Internet ablehnt. Es lassen sich mehrere Typen herausarbeiten.

Die Heterogenität der Onliner

Nicht alle älteren Personen, die das Internet nutzen, tun dies täglich. Die Nutzungshäufigkeit unterscheidet sich bei den Onlinern von einer täglichen Nutzung bis hin zu einer seltenen Nutzung; konkret können hierbei drei Gruppen herausgearbeitet werden:

Intensivnutzer
Intensivnutzer nutzen das Internet täglich. 46 % von ihnen nutzen das Internet auch mobil. Sie haben mehrheitlich eine positive Einstellung zum Internet. Sie sind sehr technikaffin und mehr an Technik interessiert als z.B. die Gelegenheitsnutzer. Auch ihr soziales Umfeld besteht vorwiegend aus Onlinern, und sie nutzen zahlreiche Internetanwendungen. Im Durchschnitt sind sie 71 Jahre alt, verfügen häufig über eine akademische Ausbildung und sind mehrheitlich Männer (65 %).

Gelegenheitsnutzer
Sie nutzen das Internet seltener als die Intensivnutzer, meist wöchentlich. Von ihnen nutzen nur 19 % das Internet auch mobil. 43 % der Gelegenheitsnutzer haben eine ambivalente und 24 % eine negative Einstellung zum Internet. Sie nutzen weniger Internetanwendungen als die Intensivnutzer; vorwiegend nutzen sie die Möglichkeit, E-Mails zu schreiben, allgemeine Informationen zu suchen und Fahrpläne nachzusehen. Personen dieser Gruppe haben seltener eine akademische Ausbildung als die Intensivnutzer. Die Gruppenmitglieder sind im Durchschnitt 72 Jahre alt und mehrheitlich Frauen (53 %).

Seltennutzer
Die Personen, die zur Gruppe der «Seltennutzer» gehören, nutzen das Internet nur etwa, um ein Mal im Monat ihre E-Mails abzurufen. Die Mehrheit (74 %) der Personen in dieser Gruppe nutzen weniger als drei Anwendungen im Internet (vorwiegend E-Mails und Informationssuche). 41 % der Seltennutzer haben eine eher negative Einstellung zum Internet. Sie sind weniger technikinteressiert und ihnen fällt die Bedienung neuer technischer Geräte eher schwer. Das Durchschnittsalter liegt hier bei 73 Jahren, und es sind mehrheitlich Frauen in dieser Gruppe zu finden (58 %). 80 % haben als höchste Bildungsstufe eine Schul- oder Berufsausbildung.

Die Heterogenität der Offliner

Neben den Onlinern lässt sich auch die Gruppe der älteren Offliner in Typen unterteilen. Da hier die Internetnutzung nicht als Unterscheidungsmerkmal herangezogen werden kann, wurde der Fokus auf die Einstellung zum Internet gesetzt. Allen an der Befragung teilnehmenden Personen wurden diverse Aussagen zum Internet vorgelegt (z.B. «Das Internet ist anregend und faszinierend» oder «Das Internet erleichtert den Kontakt zu anderen Menschen»). Anhand der Bewertung dieser Aussagen konnte die «Einstellung zum Internet» erhoben werden, indem Personen, die positiven Aussagen mehrheitlich zustimmten, zu den Personen gezählt wurden, die eine positive Einstellung zum Internet haben. Mit dieser Logik wurden auch Personen mit einer ambivalenten von Personen mit einer negativen Einstellung zum Internet unterschieden. Am Ende konnten dadurch drei Typen gebildet werden:

Nutzungsinteressierte
Sie haben eine positive Einstellung zum Internet, und viele von ihnen planen, in der Zukunft das Internet aktiv zu nutzen. Bereits heute geben sie zahlreiche Internetanwendungen an, welche sie interessieren. Sie sind technikaffiner und haben ein positiveres Altersbild von sich als die «Ablehnenden». Personen aus dieser Gruppe bekommen mehr Zuraten hinsichtlich der Nutzung von ihrem sozialen Umfeld als Personen aus den anderen Offliner-Gruppen, und 26 % fühlen sich derzeit aus der Gesellschaft ausgeschlossen, weil sie das Internet nicht nutzen. Das Durchschnittsalter liegt hier bei 79 Jahren und nur 33 % von ihnen sind Männer.

Ambivalente
Personen aus dieser Gruppe haben eine ambivalente Meinung zum Internet; sie sehen Vor- und Nachteile in der Internetnutzung und fühlen sich auch weniger von der Gesellschaft ausgeschlossen, weil sie das Internet nicht nutzen. Alleine 30 % von ihnen finden keine der vorgestellten Internetanwendungen interessant. 66 % der Personen hier sind Frauen, das Durchschnittsalter liegt bei 78 Jahren.

Ablehnende
Ablehnende haben, wie das Wort schon sagt, eine eher ablehnende Meinung zum Internet. Nur 6 % könnten sich vorstellen, einmal das Internet zu nutzen, und sie finden deutlich weniger Internetanwendungen interessant als die beiden anderen Offliner-Gruppen. Auch von ihnen ist die Mehrheit (65 %) weiblich. Das Durchschnittsalter liegt hier ebenfalls bei 78 Jahren. Nur 6 % fühlen sich wegen der Nichtnutzung des Internets von der Gesellschaft ausgeschlossen.

Relevanz für mögliche Schulungskonzepte

Die Betrachtung der Offlinertypen ist dahingehend interessant, dass in einem ersten Schritt für konkrete Schulungsangebote vor allem die Gruppe der «Nutzungsinteressierten» zu berücksichtigen wäre. Sie geben ein generelles Interesse zur Nutzung an, aber es bestehen noch Hindernisse, Ängste oder Unsicherheiten in diesem Bezug. Eine Unterstützung des Erlernens könnte hier aus dem sozialen Umfeld stammen (im Sinne einer Ermutigung oder direkten Hilfe) oder in Form einer formellen Schulung.

Hinzukommend lassen sich allgemeine Empfehlungen formulieren:

  • Da die Gruppe der Offliner heterogen ist, sollten Schulungsangebote zielgruppenbezogen oder, noch besser, individuell angepasste Lösungen berücksichtigen. Kursangebote sollten auf die individuellen Bedürfnisse und Kompetenzen eingehen können.
  • Eine gewisse Skepsis bzw. Angst vor Technik ist bei der Sensibilisierung für das Internet mit zu beachten, eine zu technische Sprache ist zu vermeiden, im Vordergrund sollte der direkte Nutzen, nicht der technische Weg dazu stehen.
  • Das Aufzeigen des individuellen Nutzens des Internets (z.B. Videotelefonie mit dem Enkel) kann als anziehender Faktor genutzt werden.
  • Es wäre sinnvoll, wenn Onliner gleichaltrigen Offlinern helfen, die möglichen Hindernisse realistischer einzuschätzen.
  • Der Einstieg über einen Tablet-Computer  (iPad und Ähnliches) könnte als einfacher bewertet werden als das umfangreiche Erlernen eines herkömmlichen Computers und dessen Betriebssystems.

Welche Schulungskonzepte werden präferiert?

In der aktuellen Studie gaben 27 % der befragten Personen an, sie hätten bereits einmal einen Kurs bzw. eine Schulung zum Erlernen des Internets besucht. Bei den Onlinern sind es 39 % und bei den Offlinern immerhin 8 %. Die generell geringe Anzahl an Personen, die bereits eine Schulung besucht haben, spricht dafür, dass viele ältere Personen sich den Umgang mit dem Internet autodidaktisch oder mit Hilfe ihres sozialen Umfelds beibringen.

In einer früheren Studie von Schelling und Seifert (2010) konnten Schweizerinnen und Schweizer ab 65 Jahren auch dahingehend befragt werden, welche Schulungsmodelle sie für die Aneignung von Internetkompetenzen präferieren würden. Es ergab sich folgende Rangordnung:

  1. Unterstützung im eigenen Haushalt durch Familie, Freunde und Bekannte (62 %)
  2. Im Rahmen eines Angebots, in dem Jugendliche ihnen etwas beibringen (53 %)
  3. Gegenseitige Unterstützung durch Personen im gleichen Alter (50 %)
  4. Im Rahmen eines Schulungskurses (49 %)
  5. Unterstützung im eigenen Haushalt durch Fachpersonen/Techniker (38 %)
  6. Sich selbst die Kenntnisse beibringen, ohne Hilfe anderer (29 %)

Medienkompetenz ist ebenfalls wichtig!

Beim Heranführen an das Internet sollte – wie bei der Medienpädagogik bei Kindern und Jugendlichen – auch bei älteren Menschen nicht nur die hardware- oder softwarebezogene Kompetenzvermittlung im Vordergrund stehen, sondern auch die Medienkompetenz im Umgang mit dem Internet. In diesem Sinne braucht es eine geragogische Medienkompetenz, um zum Beispiel das sichere Surfen im Netz zu erlernen.

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