Work-Life-Balance in der Pflege

Wie sie für Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermassen gelingt

Dieser Artikel ist im Heft 3/2023 der Fachzeitschrift für Pflege und Betreuung «NOVAcura» erschienen.

Die gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist einer der Schlüssel, um Pflegende im Beruf zu halten – das gilt für Führungspersonen genauso wie für Mitarbeitende. Wie die Work-Life-Balance gewährleistet bzw. Mitarbeitende und Führende entlastet werden können, zeigen verschiedene Massnahmen der Gesundheitszentren für das Alter der Stadt Zürich.

Über 40 % der Pflegefachpersonen steigen aus dem Beruf aus, 32 % davon noch vor ihrem 35. Altersjahr. «Zu wenig Zeit für das Privatleben», wird gemäss dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium Obsan als einer der Hauptgründe genannt.1 Die Gesundheitszentren für das Alter der Stadt Zürich nehmen dies zum Anlass, mit geeigneten Massnahmen (u. a. die Etablierung einer neuen Pflege-Rolle) die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden, aber auch der Leitungspersonen zu verbessern.

Handlungsspielraum für Führungskräfte

Die Wünsche und Bedürfnisse der Pflegenden sind individuell und vielfältig. Darin liegt eine Chance, die es zu ergreifen gilt. Denn es gibt sie, die glückliche Situation: Eine Pflegende, die gerne am Wochenende arbeitet, ermöglicht es beispielsweise einer alleinerziehenden Mutter, dann für ihre Kinder da zu sein. Ein Patentrezept für alle Pflegebereiche gibt es nicht.
Das Konzept zur Work-Life-Balance der Gesundheitszentren für das Alter enthält denn auch keine fixen Arbeitszeitmodelle, sondern bietet viel Handlungsspielraum für Führungskräfte, benennt aber auch die Erwartungen an die Mitarbeitenden. Denn wer die Berücksichtigung der eigenen Bedürfnisse wünscht, muss auch denen der Kolleg*innen flexibel gegenübertreten (s. Kasten).

Work-Life-Balance in der Pflege – ja, das geht!

Führung wird zur Kunst, wenn es gelingt, eine Teamkultur zu fördern, die konstruktive Verhandlungen bei der Frei- und Ferienplanung ermöglicht. Das klappt nicht immer und nicht überall. Doch ein Blick in die Mitarbeiterbefragung der Stadt Zürich für das Jahr 2022 zeigt, dass es Führungskräfte im Pflegebereich gibt, die mit ihren Teams bei den Fragen zur Work-Life-Balance überdurchschnittliche Resultate erzielen. Schauen wir diese Erfolgsbeispiele anhand der Aussagen von Führungskräften und Mitarbeitenden der Gesundheitszentren für das Alter genauer an.

Beispiel 1: Fixe Arbeitstage für Eltern von kleinen Kindern

«Als Führungsperson ist es mir wichtig, dass Mitarbeitende in der Freizeit ihre Batterien aufladen können. Bei uns im Team haben Eltern mit kleinen Kindern fixe Arbeitstage. So können sie gut berufstätig bleiben und das Familienleben organisieren. Die anderen Teammitglieder bekommen nach Bedarf und auf Wunsch freie Tage», äussert sich eine Führungskraft zu ihrem Vorgehen. Die Mitarbeitenden schätzen diese Möglichkeit, wie folgende Aussage zeigt: «Eine gute Kinderbetreuung zu organisieren, ist ziemlich umständlich. Die Gesundheitszentren ermöglichen es mir, nur an bestimmten Tagen zu arbeiten. Ansonsten müsste ich zu Hause bleiben, um meine Kinder zu betreuen. So ist es super!»

Beispiel 2: Im Notfall das Kind mit zur Arbeit nehmen

Berufstätige Eltern, insbesondere Alleinerziehende, stehen in einem grossen Spannungsfeld zwischen beruflichen und privaten Aufgaben. Fällt die Kinderbetreuung kurzfristig aus, ist das ein Dilemma, für das eine Lösung gefunden werden muss. «So kam es dazu, dass eine Tochter einmal einen halben Tag im Betrieb verbracht hat. Ist das geeignete Umfeld vorhanden, kann das für Eltern entlastend sein. Berufliche Termine wahrnehmen zu können und gleichzeitig das Kind gut betreut zu wissen, ist ein Gewinn für alle Beteiligten», weiss die verantwortliche Führungskraft.

Beispiel 3: Einverständnis des Teams als Voraussetzung

«Wenn Mitarbeitende spezielle Arbeitszeiten möchten, setzt dies das Einverständnis des Teams voraus. Vorlieben zu den Arbeitszeiten werden bereits vor der Anstellung im Team besprochen. Die Aussicht auf eine Zustimmung des Teams zu den gewünschten Arbeitszeiten ist gut – und die Dankbarkeit der Mitarbeitenden gross. Gerade auf Mitarbeitende mit Spezialwünschen kann im Notfall zurückgegriffen werden. Die Fluktuation auf meiner Abteilung ist gering. Das kommt auch den Bewohner*innen zugute», erklärt die Führungskraft ihr Erfolgsmodell.

Beispiel 4: Geteilte Führungsverantwortung

«Wir sind in diese Rolle reingerutscht», erzählen zwei Frauen, die sich die Abteilungsleitung teilen. «Es kam wiederholt zu einem Wechsel der Führungsperson. Wir haben dann jeweils gemeinsam die Lücke geschlossen und die Aufgaben der Abteilungsleitung übernommen». Nach der letzten Kündigung wurden sie angefragt, ob sie die Abteilungsleitung gemeinsam übernehmen wollen. Sie sagten zu, weil ihnen die Aufgabe Freude macht und sie sehr gut
zusammenarbeiten. So gelingt nicht nur die eigene Work-Life-Balance, die Abteilungsleiterinnen ermöglichen auch ihren Mitarbeitenden viel Flexibilität: «Fixe Arbeitstage oder bevorzugte Schichten werden wenn möglich berücksichtigt», lassen die beiden wissen.

Neue Rolle: Fachbeauftragte Pflege Geriatrie

Wie das letzte Beispiel zeigt, müssen nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Führungspersonen unterstützt werden. Die Gesundheitszentren für das Alter beschlossen deshalb 2021 die Etablierung einer Pflege-Rolle im Fach. Die meisten Pflegeeinheiten der Gesundheitszentren werden von einer Abteilungsleitung Pflege geführt. Sie ist klassisch für alles verantwortlich: Personalführung, fachliche Entwicklung der Pflege, Qualität und Berufsbildung. Zusätzlich gibt es pro Haus oder übergeordnet Fach- bzw. Pflegeexpertinnen. Es zeigte sich, dass die Abteilungsleitungen aufgrund der zahlreichen Aufgabenbereiche die fachliche Entwicklung des Betriebs kaum nachhaltig vorantreiben konnten. Es boten sich zwei mögliche Vorgehen an: weitere Expertinnen für einzelne Themen ausbilden oder einen Pflegenden pro Abteilung als Generalistin fördern, damit dieser die fachliche Verantwortung auf der Abteilung übernehmen kann. In einem interprofessionell besetzten Workshop zum Thema «Pflege-Generalistin vs. Spezialistin» entschied man sich für die Generealistenrolle, um die fachliche Entwicklung voranzutreiben. Neu fördern wir in den Gesundheitszentren für das Alter die Rolle der «Fachbeauftragten Pflege Geriatrie». 2023 starteten neun erfahrene Pflegende die Weiterbildung «Certificate of Advanced Studies Intercare – Klinische Fachverantwortung in der Geriatrie» an der Universität Basel. Ab sofort werden diese Pflegenden in ihrer neuen Rolle weiter klinisch tätig sein und ihr erworbenes Wissen ins Team einbringen. Sie kümmern sich um besonders anspruchsvolle Pflegesituationen und die Einführung neuer Kolleginnen und wirken als verlängerter Arm der Pflege- und Fachexpertinnen.

Fazit

Work-Life-Balance gelingt, wenn man auf verschiedenen Ebenen ansetzt und die Haltung «das Beste für Bewohnende und Mitarbeitende» von den Führungskräften getragen und propagiert wird. Einheitslösungen bzw. ein «Falsch oder Richtig» gibt es nicht. Jedes Team und jeder Betrieb ist anders – so auch die Chancen und Möglichkeiten. Wie die Beispiele zeigen, lohnt es sich, auszuloten, zu probieren, hinzuhören und zu lernen. Work-Life-Balance gelingt, wenn sie von Führungskräften und Mitarbeitenden gleichermassen gelebt wird.

Beruf
Praxis
Work-Life-Balance

Kommentar Schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert