Und nebenbei noch ein Infarkt – Einblicke in ein Citizen Science Forschungsprojekt

Welche Resultate verblüffen am meisten, wenn man die Lebenswege von Menschen über 70 erforscht? Ein bürgerwissenschaftliches Projekt, angesiedelt an Zürcher Hochschulen, erarbeitet eine Kartografie der Möglichkeiten für langes, engagiertes Leben.

Was hat die Forschenden besonders überrascht? Vielleicht die Beobachtung, dass Gesundheit keineswegs Bedingung für den Verzicht auf Ruhestand ist. Viele der erforschten Lebenswege sind von schwerer Krankheit und bedrohlichen Krisen gezeichnet. Über Infarkte, Tumoren und nicht heilbare chronische Leiden wird in den langen Interviews berichtet. Doch die Auskunftgebenden haben konkrete Gründe und wichtige Ziele, die den Stellenwert der gesundheitlichen Einschränkungen klar relativieren. Vielleicht dadurch die Heilung fördern, sicher aber die Lebensqualität positiv beeinflussen. Die Trödelhändlerin zum Beispiel will nach der Operation möglichst bald ihren Laden wieder öffnen. Sicher Augen öffnend ist auch die Erkenntnis, wie schlimme private Krisen und Jobverlust in der biografischen Mitte zu glücklichen Neuanfängen mit großartigen Entwicklungen führen können (aber nicht müssen).

Das Forschungsprojekt “Neues Alter”

Forschend neues Wissen schaffen, ehrenamtlich, in reiferen Jahren, dabei Neues lernen, gemeinsam mit Gleichgesinnten? Genau dies passiert zum Thema «neues Alter». In den vergangenen eineinhalb Jahren hat sich eine Gruppe von Bürgerwissenschafter:innen engagiert mit den Rahmenbedingungen fürs Gelingen von langen, engagierten Lebenswegen auseinandergesetzt, angekoppelt ans Kompetenzzentrum Citizen Science von ETH und Universität Zürich. Im Gegensatz zu «normalen» Wissenschaftern sind sie nicht an einer der Hochschulen angestellt, sie schaffen Wissen ehrenamtlich. Viele der zwei Dutzend am Projekt Beteiligten sind selbst älter als 65 und packten die Gelegenheit, quasi ihre eigene Generation zu besichtigen und Zeitgeschichte in biografischen Erzählungen ausserhalb ihres eigenen Milieus zu erfassen. Eine glänzende Chance, über die eigene Entwicklung nachzudenken und sich für künftige Kapitel der persönlichen Geschichte inspirieren zu lassen.

25 Frauen und 25 Männer aus Dörfern und Städten der Deutschschweiz mit unterschiedlichsten Berufen, Bildungsrucksäcken und Bankkonten gaben ausführlich Auskunft. Sie sind alle über 70 und arbeiten, gestalten, lösen anspruchsvolle Probleme oder kreieren regelmässig schöne Dinge. Wie kamen sie dazu? Warum finden sie Tätigsein attraktiver als Ruhestand?

Schritt für Schritt werden die Ergebnisse auf der Website www.neuesalter.ch jetzt veröffentlicht. Zum Beispiel über den Umgang mit Krankheit. Oder spät erst gelebter Homosexualität. Wir werden auch hier wieder Teilergebnisse dieses Projekts vorstellen.

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