Schützt Bildung unser Gehirn im Alter?

Mit dem Älterwerden findet ein Abbau unseres Hirngewebes statt und Informationen können nicht mehr so schnell zwischen den Nervenzellen hin- und hergeschickt werden. Eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, in welchem Ausmass sich dieser Abbauprozess in unserem Verhalten niederschlägt. Einer dieser Faktoren ist die formale Bildung, die eine Person genossen hat. Eine gute Bildung schafft die Basis für einen erfolgreichen beruflichen Werdegang und beeinflusst unsere Gesundheit und unsere geistige Leistungsfähigkeit positiv. Der Frage, ob dem Bildungsgrad auch eine protektive Funktion im Hirnalterungsprozess zugeschrieben werden kann, ist die Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Lutz Jäncke und Dr. Susan Mérillat am UFSP «Dynamik Gesunden Alterns» nachgegangen.

Gute Bildung – Weniger Hirnalterung

Das Forschungsteam begleitet seit mehr als 10 Jahren eine grosse Gruppe von Seniorinnen und Senioren und erhebt in regelmässigen Abständen deren geistige Leistungsfähigkeit sowie hirnanatomische Kennzahlen mittels Magnetresonanztomographie (MRT). Teile dieses umfassenden Datensatzes wurden kürzlich im Rahmen der Doktorarbeit von Isabel Hotz genutzt, um Zusammenhänge zwischen Bildungsgrad, Degenerationsprozessen der weissen Hirnsubstanz sowie kognitiver Leistungsfähigkeit genauer zu untersuchen. Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass Seniorinnen und Senioren, die eine akademische Ausbildung durchlaufen haben, eine höhere kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit aufweisen, also z.B. Zahlen oder Muster schneller miteinander vergleichen können. Zudem waren sie im Verlauf der 7 Jahre andauernden Studie von geringeren Leistungseinbussen betroffen. Im Hinblick auf die Hirnstruktur deutet die Analyse auf eine geringere Zunahme der Degenerationszeichen in der weissen Hirnsubstanz hin und stützt damit die Annahme, dass sich ein eine gute Ausbildung positiv auf den Prozess der Hirnalterung auswirkt.

Aktiv bleiben und Reserven aufbauen

Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen dieser Zusammenhänge noch unzureichend erforscht sind, liegt die Vermutung nahe, dass eine gute Ausbildung eine treibende Kraft für den Aufbau von neuronalen und kognitiven Reserven darstellt. Altersbedingte Degenerationsprozesse können dann – zumindest in Teilen – mithilfe dieser Reserven kompensiert oder abgeschwächt werden. Darüber hinaus wissen wir, dass Personen mit einem höheren Bildungsgrad bis ins hohe Lebensalter vermehrt kognitive, soziale und körperliche Aktivitäten unternehmen und damit ihr Gehirn auf Trab halten. Daraus lassen sich wichtige Erkenntnisse ableiten, denn Altern ist nicht nur das Ergebnis biologischer Veränderungen und es ist nie zu spät, etwas für die eigene Hirngesundheit zu tun. Aktiv bleiben und nicht aufhören zu lernen – damit bereiten wir unserem Gehirn ein grosses Geschenk und leisten einen Beitrag zum Erhalt unserer «funktionellen Fähigkeiten», also derjenigen Fähigkeiten, die es uns ermöglichen, das zu sein und zu tun, was wir persönlich wertschätzen (siehe WHO-Kernkonzepte «Gesundes Altern»).

Literatur

Hotz, I., Deschwanden, P. F., Mérillat, S., Liem, F., Kollias, S., & Jäncke, L. (2021). Associations of subclinical cerebral small vessel disease and processing speed in non-demented subjects: A 7-year study. NeuroImage. Clinical, 32, 102884. https://doi.org/10.1016/j.nicl.2021.102884

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Kommentar

Sehr geehrte Frau Mérillat

Sehr interessante These und Ergebnisse. Spannend so ein Projekt vor allem unter der Leitung von so einem brillanten Wissenschaftler wie Prof. Lutz Jäncke durchzuführen. Ich denke das was Sie beschreiben ist genau der Punkt. Menschen mit einem hohen Bildungsgrad und einer hohen kristallinen wie fluiden Intelligenz haben sehr gute Strategien ihre kognitiven Defizite länger zu kompensieren. Sie haben sozusagen Reserven bis sie dort ankommen wo andere sind wenn die Krankheit beginnt und man die Defizite dann zu Tage treten. Was mich erstaunt ist, dass bei diesen Menschen sich eine geringere Degeneration in der weissen Substanz zeigt. Liegt es daran, dass diese Menschen eine grössere Menge davon haben oder ist wirklich der Abbau verlangsamt? Kann es sein, dass durch die geistige “Resilienz” und ihren kreativen, geschickten Coping Strategien diese Substanz weniger schnell vom Abbau betroffen ist?
Am Beispiel von Hans Heinrich Schmid, Rektor der Uni Zürich, welcher 2014 verstorben ist sieht man, dass auch brillante Köpfe nicht vor der Krankheit gefeit sind, aber doch Mechanismen anwenden können, um den Verlauf positiv zu beeinflussen, welche anderen nicht zugänglich sind. Daher gehe ich mit Ihnen überein, dass Bildung sicherlich ein Vorteil hat. Auch denke ich, dass nicht jeder die gleichen Voraussetzungen hat einen brillanten Akademiker zu werden. Hier stellt sich für mich die Frage was ist an diesen “Köpfen” anders als bei Anderen, vielleicht schon bei Geburt, angelegt.

Freundliche Grüsse

Christian Braunschweiger

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