«Nichts für uns ohne uns» heisst es jeweils, wenn es darum geht, bedarfs- und bedürfnisgerechte Dienstleistungen und Angebote für ältere Menschen zu schaffen. Das ist auch ein Ziel der Altersstrategie 2035 der Stadt Zürich: «Damit Zürich noch altersfreundlicher wird, werden ältere Menschen künftig aktiv in die Gestaltung der Stadt, der Quartiere und der Angebote für ihre eigene Generation miteinbezogen.» (Altersstrategie 2035, S. 64)
Genau darum ging es an elf Standorten der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) und der Gesundheitszentren für das Alter der Stadt Zürich, die in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Mit dem Ziel, ein Angebot zu schaffen, das die Bedürfnisse der Nutzer*innen berücksichtigt, wurde in der ersten Jahreshälfte eine Erhebung bei den SAW-Mieter*innen in zwei Schritten durchgeführt:
Zuerst wurden alle Mieter*innen der elf gemeinsamen Standorte schriftlich befragt. Dazu erhielten sie einen kurzen und einfach gehaltenen Fragebogen. Dieser umfasste sechs Fragen zur Klärung folgender Aspekte: Bekanntheitsgrad der Dienstleistungen des Gesundheitszentrums und deren Nutzung durch SAW-Mieter*innen, Hemmschwellen für die Nutzung, bevorzugter Informationskanal zu den Angeboten, Rückmeldungen/Anliegen betreffend Angebot.
Anschliessend führten die Projektverantwortlichen vier Round-Table-Gespräche mit zwischen vier bis zehn Mieter*innen durch. Das Ziel dieser Gespräche war, die Ergebnisse aus der Befragung zu vertiefen und noch genauer hinzuhören, was gewünscht, genutzt oder eben nicht genutzt wird und welches die Gründe dafür sind.
Erkenntnisse aus der schriftlichen Befragung
Der durchschnittliche Rücklauf bei der Befragung lag bei 22 Prozent. Allerdings war er stark vom Standort und der jeweiligen Mieterschaft abhängig. An einem Standort betrug der Rücklauf lediglich drei Prozent, während er an einem anderen Standort bei hohen 49 Prozent lag. Die Beobachtung verdeutlichte, dass tendenziell Mieter*innen derjenigen Standorte aktiv an der Befragung teilnahmen, wo bereits ein gewisser Zusammenhalt untereinander und ein guter Austausch mit dem Gesundheitszentrum bestand. Zurückgezogen lebende Mieter*innen oder solche mit Migrationshintergrund nahmen kaum teil.
Das Resultat zeigte, dass die Mehrzahl der Befragten Dienstleistungen oder Angebote des Gesundheitszentrums heute nur sporadisch (wöchentlich oder weniger) in Anspruch nimmt. Nur gerade vereinzelt gehen SAW-Mieter*innen mehrmals wöchentlich oder gar täglich ins Restaurant des Gesundheitszentrums zum Mittagessen.
Die Gründe dafür, die Dienstleistungen anfangs sporadisch in Anspruch zu nehmen, sind vielfältig:
- Die Mieter*innen sind viel unterwegs, weil sie andere Kontakte ausserhalb der Siedlung pflegen.
- Es bestehen zahlreiche private Verpflichtungen und es wird eigenen Hobbys nachgegangen, auch diese oftmals ausserhalb der Siedlung.
- Eine Hörbehinderung erschwert die Teilnahme.
- Man ist neu in die Siedlung gezogen und lebt sich erst ein.
- Es besteht (noch) kein Bedarf und/oder kein Interesse an den Angeboten des Gesundheitszentrums («ich bin noch nicht so alt»).
- Die Angebote des Gesundheitszentrums sind gar nicht allen bekannt.
Die SAW-Mieter*innen wurden auch nach ihrem bevorzugten Informationskanal gefragt. Nur eine kleine Minderheit wünschte Informationen per E-Mail, die grosse Mehrheit bevorzugt einen Flyer im Briefkasten – «den kann man mit nach Hause nehmen» – oder die Information am Anschlagbrett im Eingangsbereich der Siedlung. Hier orientiert man sich und hält sich auf dem Laufenden. Ausserdem kann man die Information am Anschlagbrett fertiglesen, sie verschwindet nicht einfach von der Bildfläche. Denn einige Mieter*innen bekunden Mühe mit den neuen Bildschirmen im Eingangsbereich der Siedlungen, auf denen aktuelle Informationen zu Anlässen und Angeboten angezeigt werden und in Endlosschlaufe laufen.
Erkenntnisse aus den Round-Table-Gesprächen
Die Gespräche am runden Tisch verdeutlichen diese Befunde: So möchten die wenigsten das Menü des Restaurants oder den Veranstaltungskalender des Gesundheitszentrums elektronisch erhalten, sondern vielmehr entweder als Flyer in den Briefkasten oder als Aushang im Eingangsbereich. Durch einen Flyer im Briefkasten fühlen sich die Mieter*innen persönlich angesprochen und eingeladen. Lust zur Teilnahme und Partizipation entsteht durch persönliche Ansprache. Auch kann ein Flyer in die Wohnung mitgenommen und an einem geeigneten Ort aufgehängt oder hingelegt werden, um das Angebot nicht zu verpassen. Das wird als sehr hilfreich und praktisch angesehen. Ein Bildschirm gewährleistet dies nicht. Ein paar wenige Mieter*innen machen daher Fotos vom Monitor auf ihren Mobiltelefonen, um die Information zu Hause nochmals «unbewegt» und in Ruhe studieren zu können.
Zur Nutzung der Angebote des benachbarten Gesundheitszentrums erzählen die Teilnehmer*innen des runden Tisches, diese mehrheitlich kaum oder (noch) nicht zu nutzen. Die Mieter*innen geben an, sie seien anderweitig engagiert, oft gar nicht da und würden ihre bestehenden Kontakte nach dem Umzug in die SAW-Siedlung weiterhin pflegen. Sie wollen ihren gewohnten Alltag nach Möglichkeit weiterführen.
Eine Person hat es sinngemäss so auf den Punkt gebracht: «Will ich jetzt schon alle meine Kontakte aufgeben und alles im Gesundheitszentrum beziehen, nur weil ich in eine Alterswohnung gezogen bin? Nein!» So lautet denn auch der Tenor, dass zwar viele froh sind über die Angebote des benachbarten Gesundheitszentrums für das Alter, dass sie diese aber erst dann nutzen wollen, wenn es aufgrund der veränderten Lebens- oder gesundheitlichen Situation dereinst nötig werden sollte. Ausserdem geben die meisten an, gut zurecht zu kommen und möglichst lange unabhängig von Dienstleistungen oder Angeboten des nahen Gesundheitszentrums bleiben zu wollen.
Nichtsdestotrotz schätzen sie aber insbesondere Angebote geselliger Art wie jährlich stattfindende Anlässe, beispielsweise die 1. August-Feiern der Gesundheitszentren mit Cervelat vom Grill oder etwa den Räbeliechtliumzug mit Umtrunk draussen auf dem Platz. Ebenfalls geschätzt wird der monatliche SAW-Mittagstisch im Restaurant des Gesundheitszentrums, der nach und nach an allen gemeinsamen Standorten eingeführt werden soll. Die Idee dahinter ist so bestechend wie einfach: Alleine hingegen, gemeinsam essen – und so in Kontakt kommen mit anderen Mieter*innen aus der Siedlung, denn Essen verbindet und bringt Menschen zusammen.
Mitmachen und partizipieren
Sowohl bei der absichtlich kurz gehaltenen schriftlichen Befragung wie auch bei den vier runden Tischen fällt auf, dass vor allem Mieter*innen mitgemacht haben, die eher aktiv sind in der Siedlung und teils guten Kontakt zum benachbarten Gesundheitszentrum für das Alter pflegen. Andere, zurückgezogen lebende Personen sowie tendenziell Personen mit Migrationshintergrund und sprachlichen Barrieren hingegen haben kaum teilgenommen. Das korreliert mit den Beobachtungen der Mieter*innen, die in den Gesprächen berichtet haben, dass neue Mieter*innen oft kaum Deutsch sprechen und sich eher abkapseln würden, anstatt Interesse an der Mietgemeinschaft zu zeigen. An einem der Round-Table-Gespräche kam daher die Idee auf, jährlich einen Willkommensapéro für die Neuzugezogenen zu organisieren, um diese kennenzulernen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich als dazugehörend zu fühlen.
Die Rückmeldungen der SAW-Mieter*innen zu den Informationsbildschirmen im Eingangsbereich der Siedlungen verdeutlichen zudem, dass für Partizipation das Gefühl des Eingeladenseins ganz wichtig ist. Flyers würden da als verbindlicher wahrgenommen als Inhalte auf Bildschirmen.
Partizipation besteht nicht nur aus Teilnahme an Anlässen oder Nutzung von Angeboten, sondern auch daraus, mitzutun oder einen eigenen Beitrag leisten zu können. Vielen Mieter*innen ist die Möglichkeit für freiwilliges Engagement im Gesundheitszentrum bekannt. Einige geben an, bereits früher im Gesundheitszentrum freiwillig engagiert gewesen zu sein und nun die Zeit für sich in Anspruch nehmen zu wollen. Andere, sie seien jetzt selber eingeschränkt und nicht mehr so fit, weshalb sie keine Freiwilligenarbeit leisten könnten. Ein paar weitere Personen geben an, andernorts noch engagiert zu sein und sich zu überlegen, sich zu einem späteren Zeitpunkt im benachbarten Gesundheitszentrum freiwillig zu engagieren.
Fazit
Das Vorgehen, die Mieter*innen zu befragen und mit ihnen am runden Tisch direkt ins Gespräch zu kommen, hat sich bewährt. Diejenigen Mieter*innen, die an der Umfrage und dem runden Tisch teilgenommen haben, äusserten sich zufrieden über die Möglichkeit der Mitsprache und fühlten sich wertgeschätzt.
Allerdings konnten mit diesem Vorgehen nur jene erreicht werden, die tendenziell eher schon engagiert sind und Deutsch sprechen. Mit der sich abzeichnenden und in den Gesprächen beschriebenen Veränderung der Mieterschaft (vermehrt Personen mit Migrationshintergrund und wenig Deutschkenntnissen und/oder sehr zurückgezogen lebende Personen) wird zukünftig zu überlegen sein, wie auch diese Personen angesprochen und ihre Bedürfnisse abgeholt werden können.