Neue Wege in der Berufsbildung – eine Investition in die Zukunft

Wie überzeugen wir unsere Lernenden und Studierenden (L&S) von der Attraktivität der Langzeitpflege? Wie gelingt es uns, die Ausbildung so anregend und lebendig, sinnhaft und zukunftsweisend für eine berufliche Karriere zu gestalten, damit wir unsere Berufsabgänger/-innen im Anschluss an die Ausbildung für eine Anstellung bei uns in der Langzeitpflege gewinnen? Diese Fragestellungen führten zum Projekt «hauptberufliche Berufsbildner/-innen». Dieser Beitrag zeigt auf, wie wir von der Vision zur erfolgreichen Umsetzung gelangten.

Unsere Vision

Nur Berufsbildner/-innen (BB), welche über fachliches Wissen und Können in den Bereichen Pflege, Pädagogik und Selbstmanagement verfügen und die ihre anspruchsvollen Aufgaben als BB vollumfänglich wahrnehmen können, sind erfolgreich in ihrer Schlüsselposition in der innerbetrieblichen Ausbildung.

Das ist unsere Überzeugung und dafür stellen wir Zeit und Ressourcen zur Verfügung. Unsere Berufsbildnerinnen nennen wir «hauptberufliche Berufsbildner/-in».

Standards

Die eingangs erwähnten Fragestellungen beschäftigen uns schon lange. Sie wurden mit der Einführung der kantonalen Ausbildungsverpflichtung und der zunehmend schwierigen Situation auf dem Arbeitsmarkt in den Pflegeberufen noch dringlicher. In einer Arbeitsgruppe bestehend aus Aus-, Fort- und Weiterbildungsverantwortlichen (AWFB), Leitung Pflegedienst, Qualitätsmanagement und Human Resources setzen wir uns seit 2018 intensiv mit dem Thema auseinander. Was streben wir an?

Mittels Aufgabenanalyse der Ausbildung in unserer Institution, haben wir ein Konzept erstellt, welches die Funktion Berufsbildner/-in neu positioniert und auch die fachlichen und menschlichen Anforderungen an die Funktionsinhaber/-innen klar aufzeigt.

  • Eine hohe Ausbildungsqualität
  • Eine hohe Fachlichkeit in der Pflege und in der Bildung aller Beteiligten im Ausbildungsprozess
  • Zeit und Ressourcen für jeden einzelnen L&S, damit sie ihren Lernprozess bewusst mitgestalten und sich das erforderliche Wissen und Können für die Langzeitpflege aneignen können
  • Fachlich kompetente Berufsbildner/-innen

Hauptberufliche Berufsbildner/-in

Wir haben den Prozess der Ausbildung einer «Ausbildungsgemeinschaft» definiert. Darin sind die BB, die Abteilungsleitungen, das Team, die AFWB und das Pflegekader eingebunden. Die AFWB hat die Fachführung in der Ausbildung inne und nimmt einen hohen Coaching Auftrag für alle Beteiligten der Ausbildungsgemeinschaft wahr.

Unsere hauptberuflichen BB tragen nicht mehr zwei bis drei Hüte. Sie sind vollumfänglich für die Ausbildung auf der Abteilung zuständig. Sie übernehmen, mit ihren durchschnittlich 6-8 L&S in unterschiedlichen Ausbildungsstufen, im Arbeitsalltag die Verantwortung für ganze Bewohnergruppen. Sie sind Vorbild, präsent für ihre L&S und fachliche Ansprechperson für das ganze Pflegeteam. Sie sind der Pflege unterstellt und bleiben dem Pflegeteam als kompetente und fachlich versierte Players auf der Abteilung erhalten.

Unsere BB arbeiten dann, wenn ihre L&S auf Abteilung sind. Sie planen sich und ihre Lernenden und Studierenden selber, in Absprache mit der Abteilungsleitung. So garantieren wir ihnen die notwendige Zeit für schriftliche Arbeiten, Planung und Vorbereitung von Lernsequenzen, für Kompetenznachweise, Gespräche mit den Lernenden und gewinnbringende Lernsettings.

Gesamtbetrieblicher Mehrwert

Die Umsetzung unseres Konzeptes soll gesamtbetrieblich einen Mehrwert bringen. Durch die klare Positionierung und Stärkung der hauptberuflichen BB haben wir folgende Entwicklungen seit dem Start des Projektes beobachten und dokumentieren können:

  • Durch die nahe Begleitung der BB werden die Lernenden und Studierenden in kurzer Zeit befähigt, selbstständig und sicher in ihren Aufgabenbereichen, ihrem Ausbildungsstand entsprechend, Verantwortung zu übernehmen. Ihre Produktivität im Arbeitsalltag steigt. Sie lernen mit der schnell erworbenen Sicherheit, im Team zu agieren und ein Teil davon zu werden.
  • Die BB haben mehr Zeit, die L&S strukturiert einzuführen. Teammitglieder aus verschiedenen Teams melden zurück, dass sie die L&S zunehmend als Hilfe und Unterstützung im Arbeitsalltag erleben. Diese sind rasch bereit, Aufgaben zu übernehmen und sicher auszuführen – das Team wird spürbar entlastet. L&S sind ein Gewinn für die Abteilung – keine Last.
  • Das Fachwissen auf der Abteilung steigt, sagen die Abteilungsleitungen.
  • Die BB wachsen an ihrer Aufgabe, erwerben zusätzliche Fähigkeiten in Planung und Führung. Sie wenden bewusst pädagogische Modelle an – das Lernen wird für die L&S lebendig und fördert das selbstständige Denken.
  • Die BB entlastet die Abteilungsleitung in verschiedenen Aufgabenbereichen.

Der Gesamtbetrieb, das Pflegekader und die AFWB profitieren von der engen Zusammenarbeit von Pflege und Bildung. Die Berufsbildner/-innen, die Lernenden und Studierenden werden aktiv in Projekte, Interaktionen und Strategien miteinbezogen. Aktuelles Wissen trägt zur Weiterentwicklung der Pflegequalität bei.

Unser Modell der hauptberuflichen Berufsbildner/-innen trägt massgeblich dazu bei, die geforderte Zahl von L&S professionell auszubilden, was sich umgehend auf mehr Personal auf den Pflegeabteilungen auswirkt. Eine positiv erlebte Ausbildung motiviert zu einer anschliessenden Anstellung in der Institution.

Verankerung im Betrieb

Was braucht es, um unsere Vision erfolgreich im Betrieb zu verankern? Ein seriöses und sorgfältiges Change-Management ist der Schlüssel zum Erfolg.

Dabei gehen wir prozessorientiert vor. Seit 2018 werden jedes Jahr im August, eine bis drei Abteilungen in das neue Konzept eingeführt, je nach Personalsituation im Gesamtbetrieb. Im August 2021 werden wir die letzten beiden Abteilungen auf das neue Bildungskonzept umstellen. Die Verankerung des Projektes in unserer Institution ist ein top-down Projekt, welches von der Betriebsleitung und dem gesamten Kader von Anfang an mitgetragen, interessiert mitverfolgt und unterstützt wurde. Die Player der Ausbildungsgemeinschaft werden stark in den Umstellungsprozess einbezogen und begleitet. Wir informieren regelmässig transparent, nehmen Anliegen der Abteilungen auf und scheuen uns nicht, Anpassungen am Konzept vorzunehmen, wenn die Realität aus dem Arbeitsalltag dies verlangt.

Bevor wir eine Abteilung auf unser Konzept «umstellen», bereiten wir das Team in einem Workshop auf seine neuen Herausforderungen und die Veränderungen vor. Dazu arbeiten wir mit einem externen Dozenten. Die Berufsbildner/-innen werden regelmässig in Foren geschult und stehen in ständigem Austausch mit der AFWB. Gemeinsam mit allen Abteilungsleitungen und BB besprechen wir in regelmässigen Workshops Unklarheiten und Probleme. Wir arbeiten daran, Erfolge und den Mehrwert zu erkennen. Unsere BB sind fachlich à jour, ihre Ausbildung ist ein zentraler Baustein. Unser Ziel ist es, dass alle hauptberuflichen BB den Eidgenössischen Fachausweis Ausbildner/-In erwerben. Unsere BB stehen alle hinter diesem Ziel und gehen sehr engagiert in diese Ausbildung.

Von der Vision zur Realität

Aussagen aus der Ausbildungsgemeinschaft:

  • «Die Pflegequalität steigt» Abteilungsleitung
  • «L&S sind schneller handlungsfähig» Berufsbilder/-in
  • “Ich fühlte mich sehr sicher, vor allem, weil meine BB 100% für mich und die andern Lernenden da war”. Lernende FaGe 2. Lehrjahr
  • «Es ist eine Entlastung fürs Team» Teammitglied

Die Investition in die Berufsbildung wird gelebt und zahlt sich aus. Unsere Bildungs- und Lernkultur ist bewusster und offener geworden. Diese Entwicklung freut uns sehr und macht uns auch stolz.

Autorinnen

Claudia Russenberger ist Bildungsverantwortliche in den Pflegezentren Witikon und Riesbach. Für sie braucht Lernen Gestaltungsfreiräume, in denen Wissen mitdenkend und reflektierend aufgebaut werden kann und in denen sich die Lernenden und Studierenden und alle an der Ausbildung beteiligten Personen persönlich weiterentwickeln können. Zentral ist ihr eine offene, neugierige Bildungskultur im Gesamtbetrieb.

Andrea Mehr war bis 2019 langjährige Leiterin des HR in den Pflegezentren Witikon und Riesbach. Sie war von Anfang an am Projekt «hauptberufliche Berufsbildner/-innen» beteiligt und ist weiterhin aktives Mitglied der Arbeitsgruppe. Ihr zentrales Anliegen ist die Ausbildung des institutionseigenen Nachwuchses. Sie setzt sich dafür ein, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich die L&S auch nach der Ausbildung bei uns in der Langzeitpflege mit Engagement einsetzen.

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