Lessons learned aus der Pandemie:
Zusammenarbeit, Flexibilität und gute Kommunikation

Jetzt, da die Fallzahlen zurückgehen und die Pandemiemassnahmen aufgehoben wurden, lohnt es sich, auf diese ausserordentliche Zeit zurückzuschauen und zu überlegen, was wir gelernt haben und im besten Fall auch nach der Pandemie so beibehalten wollen. Ein Rückblick auf die vergangenen zwei Pandemiejahre von Dr. med. Gaby Bieri, Ärztliche Direktorin der Gesundheitszentren für das Alter.

So eine Pandemie haben wir alle – mit Ausnahme von wenigen hochbetagten Seniorinnen und Senioren – noch nie erlebt. Es wird rückblickend sicher ein Jahrhundertereignis bleiben. Dass eine Seuche für so lange Zeit unsere Gesellschaft dominiert, hätten sicher die wenigsten erwartet. Nach 37 Jahren Erfahrung als Ärztin, war ich zum ersten Mal mit einer neuen Krankheit konfrontiert, über die man so wenig wusste. Eine Krankheit, die so weit verbreitet vorkam und so schwer verlaufen konnte, das hatte ich bisher noch nie erlebt. Ich habe allerdings auch noch nie so viel über eine Viruserkrankung und über die interdisziplinäre, interprofessionelle und interinstitutionelle Zusammenarbeit gelernt. Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit habe ich als so wertvoll erfahren.

Natürlich bin ich mit meinem Ärzteteam des Geriatrischen Dienstes privilegiert und die Zusammenarbeit mit den Pflegeteams, dem Hygieneteam und den Leitungsgremien ist etabliert. Aber die enge Zusammenarbeit mit der Spitex, den Infektiologinnen und Infektiologen im Spital, den Kantonsärztinnen, anderen Langzeitinstitutionen, den Verbänden und den politischen Entscheidungsträgern, entwickelte sich im Rahmen der Pandemie und machte vieles möglich, was es vorher nicht gab. Wie zum Beispiel in der Umsetzung einheitlicher Schutz- und Hygienemassnahmen oder in der Organisation einer Impfung für über 22 000 Bewohnende und 32 000 Mitarbeitende der Heime im Kanton Zürich. Etablierte Prozesse konnten in der Pandemie nicht mehr umgesetzt werden und Flexibilität, Innovation und pragmatische Lösungen waren gefragt. Sei es in der Beschaffung von Schutzmaterial im Baumarkt, dem Nähen eigener Mehrweg-Schutzanzüge durch die ZWZ Wäscherei Zürich oder der Anpassung des Testreglements über behördliche Vorgaben hinweg (in Absprache mit Stadt und Kanton).

Die Heime wurden lange nicht als relevante Orte für pandemische Problemstellungen wahr-genommen, obwohl hier gemeinschaftliches Wohnen von vulnerablen Personen stattfindet. Der Kanton konzentrierte sich lange nur auf die Funktionsfähigkeit der Spitäler, trotz der hohen Todesfallzahlen in den Heimen. Bis Ende 2021 ereigneten sich 45 % der Todesfälle in Heimen. Nicht berücksichtigt sind dabei die Todesfälle von Heimbewohnerinnen und -bewohnern im Spital (Situationsbericht zur epidemiologischen Lage in der Schweiz und im Fürstentum Lichtenstein). Insbesondere kleinere Heime mit wenig spezialisiertem Fachperso-nal (Hygiene, Ärztinnen und Ärzte, Infektiologinnen und Infektiologen, Einkaufsverantwortliche, Pflegeexperten etc.) litten unter den immer wieder neuen Vorschriften, ohne dass es irgendeine Unterstützung gab. Teilweise traten hier grössere Institutionen beratend auf oder halfen durch die Übernahme von COVID-positiven Bewohnerinnen und Bewohnern auf Isolationsabteilungen, die nicht hospitalisiert wurden.

Die Pandemie wirkte teilweise als Brandbeschleuniger bei schon vorbestehenden Problemen im Heim, vor allem in der heimärztlichen Versorgung. Heime ohne designierte und engagierte Heimärzteschaft hatten grössere Probleme.

Dazu fand im November 2021 auf Einladung des BAG eine Roundtable-Diskussion statt – eine Veranstaltung mit 32 Stakeholdern (Vertreterinnen und Vertreter aus Heimen, Berufs-verbänden, Politik, Ethik und viele mehr). Dort wurden die pandemischen Herausforderungen der Langzeitpflege diskutiert und Massnahmenvorschläge erarbeitet. Dieses Positionspapier sollte im Verlaufe des Sommers 2022 publiziert werden.

Nebst den vielen Todesfällen die in den Heimen zu beklagen waren, zählt dort auch das Besuchs- und Ausgehverbot zu den traurigsten Kapiteln der Pandemie. Rückblickend war diese Massnahme nicht zielführend. Das Leid, das dadurch verursacht wurde, war im Vergleich zum angestrebten erhöhten Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner nicht verhältnismässig. Einzelne Bewohnende profitierten aber auch davon, dass zum Ausgleich der fehlenden Besucherinnen und Besucher sehr viel Personal aus anderen städtischen- und nichtstädtischen Bereichen zur Betreuung in den Gesundheitszentren für das Alter eingesetzt wurde. Das wurde sehr geschätzt und zum Teil waren insbesondere Menschen mit Demenz somit sehr gut betreut.

Und nicht zuletzt zeigten die letzten beiden Jahre, wie wichtig eine offene Kommunikation ist. Kommunikation darüber, was man wusste, aber auch was man nicht wusste und weshalb man sich für welche Massnahme entschied.

Es war für die ganze Gesellschaft eine schwierige Zeit mit vielen Einschränkungen. Es war aber auch eine Zeit, in der uns allen wieder sehr bewusst wurde, wie wichtig soziale Kontakte für uns Menschen sind. Und wir Mitarbeitende von Heimen haben die Wichtigkeit der guten Zusammenarbeit wiedererkannt.

Alle

Kommentar

Guten Tag

Sehr interessanter Artikel. Meine Beobachtung und auch vom Austausch mit Fachpersonen ist, dass die MmD während des Besuchsverbot ruhiger waren. Vielfach lässt sich beobachten, dass die MmD nach besuchen ihrer Angehörigen unruhig und agitierter sind und nach Hause wollen. Dieses Phänomen zeigte sich weniger und trotzdem waren die Bewohner durch die hausinterne Aktivierung und den zusätzlichen Betreuungsdiensten sehr gut aktiviert und umsorgt.
Was mich noch wunder nehmen würde und was ich mich Frage ist, ob der Einsatz von Schmerzmitteln während dieser Zeit rückläufig gewesen ist, respektive ob die Schmerzsituation sich verändert hatte bei MmD. Handumkehrt bei den übrigen, kognitiv adäquaten Bewohnenden höher war? Ich denke da an das Total Pain.

Freundliche Grüsse

Christian

Vielen Dank für Ihren wertvollen Kommentar und die damit verbundene Frage. Die Beantwortung dieser Thematik wäre vielleicht Interessant für einen weiteren Artikel… Wer weiss, vielleicht lesen Sie schon bald mehr darüber. Freundliche Grüsse, ihr Gerontologieblog-Team

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