In einer schnelllebigen Welt mit steigender Unsicherheit werden Strategien zur Bewältigung von Stress immer wichtiger. Stressresilienz ist der neue Hype und beschreibt die Fähigkeit, nach einem traumatischen Ereignis ein gesundes Maß an psychischer und physischer Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Neurowissenschaftler der Universität Zürich haben im Rahmen des Innovationsprogramms BioMedTech Entrepreneur Fellowship ein Training entwickelt, das erlaubt, Stressresilienz effektiv zu trainieren.In einer schnelllebigen Welt mit steigender Unsicherheit werden Strategien zur Bewältigung von Stress immer wichtiger. Stressresilienz ist der neue Hype und beschreibt die Fähigkeit, nach einem traumatischen Ereignis ein gesundes Mass an psychischer und physischer Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Neurowissenschaftler der Universität Zürich haben im Rahmen des Innovationsprogramms BioMedTech Entrepreneur Fellowship ein Training entwickelt, das erlaubt, Stressresilienz effektiv zu trainieren.
Status Quo
Die Welt steht vor einer Krise der psychischen Gesundheit, ausgelöst durch zunehmend unsichere Lebensaussichten und stressige Arbeitsumgebungen. Angstzustände, Depressionen und Burnout nehmen zu und sind weltweit die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Diese stressbedingten psychischen Störungen wirken sich nicht nur auf die Betroffenen aus, sondern auch auf deren Familien, Freunde und Kollegen. Es wird geschätzt, dass die damit verbundene gesellschaftliche Belastung zu weltweiten Produktivitätsverlusten von über 1 Billion US-Dollar pro Jahr führt, was den starken gesellschaftlichen Bedarf unterstreicht, das Problem der stressbedingten Psychopathologie anzugehen.
Es gibt zwar Behandlungen für stressbedingte Störungen, diese sind jedoch nicht sehr wirksam, weil die meisten Bedürftigen diese nicht erhalten oder weil diejenigen, die sich einer Behandlung unterziehen, davon nicht profitieren. Menschen, die Hilfe suchen, stossen häufig auf Hindernisse wie hohe Behandlungskosten, einen Mangel an ausgebildeten Ärzt*innen, das mit der Suche nach Hilfe verbundene Stigma und Schwierigkeiten bei der Zugänglichkeit. Um hier Abhilfe zu schaffen, wäre es von enormem Nutzen, stressbedingten Störungen durch ein selbstbestimmtes Training vorzubeugen, bevor Symptome überhaupt erst auftreten.
Warum Neurowissenschaften?
Fundamentale Ergebnisse der letzten Jahre von Neurowissenschaftler*innen der Universität Zürich lieferten die Grundlage für ein innovatives Stressresilienztraining. Erstens, es konnte nachgewiesen werden, dass die Sensitivität des noradrenergen Stresssystems im Hirnstamm die Stressvulnerabiltität eines Menschen bestimmt. Je sensitiver dieses System, desto eher wird eine Person auf Stress mit Angst oder Depressionssymptomen reagieren (1). Zweitens, die neuronale Aktivität dieses Systems kann an der Pupillenerweiterung des Auges während emotionaler Konflikte abgelesen werden (1,2). Drittens, die Pupillenerweiterung während aktiver Emotionsregulation ist ein Indikator für den Erfolg der Regulation bzw. wie gut mit Stress umgegangen werden kann (3). Viertens, Menschen können lernen bestimmte Hirnregionen aktiv zu regulieren, wenn sie die neuronale Aktivität des Areals als visuelles Feedback nutzen können (4).
Erfolgreiches Stressresilienztraining
Die innovative Kombination dieser Erkenntnisse lieferte nun erste Ergebnisse auf dem Weg zu einem effektiven und präventiven Stressresilienztraining. An vier Trainingstagen wurden Probandinnen, die vor einer stressigen Prüfungsperiode standen, mit äusserst unangenehmen Bildern konfrontiert. Sie sollten versuchen Emotionsregulationsstrategien anzuwenden, um ihre emotionale Reaktion auf diese Bilder möglichst gering zu halten. Nach jeder Regulationsphase wurde den Probanden die Aktivität des Stresssystems – gemessen durch die Pupillenerweiterung – visuell mitgeteilt. Die Probandinnen hatten somit direkten Einblick in die Aktivität ihres eigenen Stresssystems und konnten leicht herausfinden, welche Emotionsregulationsstrategie in welcher Situation am besten funktioniert. Die Probandinnen wurden nach dem Training mit App-basierten Minifragebögen auf ihrem Smartphone noch 3 Monate lang bezüglich ihrer mentalen Gesundheit befragt. Es stellte sich heraus, dass die Probandinnen mit Pupillen-Feedbacktraining weniger stressbedingte Symptome aufwiesen als jene, die kein akkurates Feedback bekamen. Sie waren also stressresilienter. Diese Ergebnisse konnten in einer zweiten unabhängigen Kohorte repliziert werden.
Forschungsergebnisse nutzbar machen: Nächste Schritte
Der Nachweis, dass das Training zu geringeren stressbedingten Symptomen führt, ist der entscheidende Schritt für eine erfolgreiche Kommerzialisierung. Diese Technologie hat ein enormes Potenzial in multiplen Märkten, da sie für Einzelpersonen, Unternehmen und andere Organisationen ein wirksames Instrument zur Verfügung stellt, um sich auf Stressbelastungen vorzubereiten, die Auswirkungen von Stress zu dämpfen und dadurch die damit verbundene psychologische und wirtschaftliche Belastung zu minimieren.
Perspektivisch könnte ein solch effektives Stressresilienztraining auch auf Geräte übertragen werden, die aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken sind, nämlich als mobile Anwendung (App) auf Laptops und Smartphones. Eine solche App hat das Potenzial, umfassend eingesetzt zu werden, um der steigenden Prävalenz und den unzureichenden verfügbaren Ressourcen für die Behandlung stressbedingter Störungen entgegenzuwirken.
Dieser neurobiologisch fundierte Ansatz eines Resilienztrainings wird den Weg für eine hoch skalierbare Interventionsmethode ebnen, die von breiten Teilen der Bevölkerung genutzt werden könnte – ganz einfach, von zu Hause.
(1) Grueschow M, Stenz N, Thorn H, et al. Real-world stress resilience is associated with the responsivity of the locus coeruleus. Nat Commun. 2021;12(1):2275.
(2) Grueschow M, Kleim B, Ruff CC (2020) Role of the Locus Coeruleus Arousal System in Cognitive Control. Journal of Neuroendocrinology. 32(12)
(3) Maier SU, Grueschow M. Pupil dilation predicts individual self-regulation success across domains. Sci Rep. 2021;11(1):14342.
(4) Hellrung L, Dietrich A, Hollmann M, et al. Intermittent compared to continuous real-time fMRI neurofeedback boosts control over amygdala activation. Neuroimage. 2018;166:198-208.