Im Alter können wir jede Menge Glück erfahren und glücklich sein – eine reflektierte Einstellung zum Leben kann wesentlich dazu beitragen, im Alter Glück zu finden. Sechs Anregungen helfen uns, dies zu erreichen.
Klassische Altersstereotype gehen von einem eher negativen Altersbild aus: Alter ist die Phase der abnehmenden Kräfte, der zunehmenden Verluste, chronischer Krankheiten und wachsender Abhängigkeit von fremder Hilfe. Alter ist eher eine Last als eine Lust. Glück hat, wer möglichst lange jung bleibt und gerade nicht alt wird. Alter und Glück passen nach dem spontanen Empfinden vieler nicht leicht zusammen.
Dieser Sicht möchte ich widersprechen. Ich will keineswegs bestreiten, dass Alter, vor allem das hohe Alter ab dem neunten Lebensjahrzehnt, auch mit manchen mühsamen Erfahrungen verbunden sein kann. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist: Alter kann auch viele beglückende Erfahrungen mit sich bringen und enthält spezifische Entwicklungsmöglichkeiten. Ob man solches Glück im Alter findet, hängt wesentlich davon ab, was für eine Lebenseinstellung jemand hat.
Meine grundsätzliche These lautet darum: Man kann im Alter intensives Glück erfahren und glücklich sein. Es ist nicht einfach Schicksal oder «Glücksache», ob man im Alter Glück findet oder nicht. Es hängt zu einem guten Teil von uns selber ab, von unserer Einstellung, von unserer Lebenshaltung. Wir können selber etwas dafür tun, im Alter Glück zu finden.
Sechs Anregungen sollen diese These verdeutlichen.
1. Glück gibt es nur zusammen mit Unglück
Wer erwartet, immer Glück haben zu müssen und glücklich sein zu können, wird unweigerlich enttäuscht. So ist es nicht im Leben. Es ist hilfreicher, davon auszugehen, dass das Leben im Normalfall immer beides bietet: Glück und Unglück. Es bringt nichts, über Unglück zu jammern und über das eigene Schicksal zu nörgeln. So verschleisst man nur wertvolle Energie und lässt sich durch eine Negativspirale nach unten ziehen. Eine konstruktivere Haltung ist, Schwieriges mutig als Herausforderung anzunehmen und sich Hilfe zu suchen, um Probleme anzugehen.
Man kann bewusst versuchen, sich vom Unglück den Blick für das durchaus auch vorhandene Glück nicht nehmen zu lassen. Menschen, denen es gelingt, das halbvolle Glas zu sehen und zu geniessen, statt das halbleere Glas zu beklagen, werden glücklicher altern. Unglück, Schwierigkeiten müssen nicht verdrängt oder überspielt werden. Aber es lohnt sich, ihnen im eigenen Denken und Reden nicht mehr Raum zu geben als nötig.
2. Glück hängt von unserer inneren Einstellung zum Leben ab
Glück hängt nicht primär von äusseren Faktoren ab, die je nachdem leichter oder schwieriger sein können, die man vielleicht verändern kann, vielleicht aber auch einfach hinnehmen muss. Glücklich sein zu können hängt in hohem Mass von unserer inneren Einstellung zum Leben ab – zum Schönen wie zum Schwierigen! Insofern sind wir durchaus unseres eigenen Glückes Schmied.
Es lohnt sich, eine entsprechende Einstellung einzuüben: innerlich offen zu werden für mögliches Glück und sich keine fixen Vorstellungen zu machen, wie das Glück sein müsse, sondern das Glück so wahrzunehmen, wie es sich einstellt. Erfahrungen von Glück kann man bewusst suchen und erwarten; dann wird man sie eher finden, als wenn man stumpf oder erwartungslos vor sich hin lebt.
3. Positive Erfahrungen des Glücks bewusst wahrnehmen und in Erinnerung rufen
Weil negative Eindrücke stärker haften bleiben als positive, lohnt es sich, das bewusste Wahrnehmen von Positivem einzuüben und zu vertiefen. Zum Beispiel im biografischen Rückblick auf das eigene Leben zu fragen: Was habe ich an Gutem erfahren? Was ist mir geglückt? Wo hatte ich unverdientes Glück? Oder sich im Rückblick auf einen vergangenen Tag klar zu machen: Was habe ich an Gutem erfahren? Was hat mich heute glücklich gemacht? Wofür kann ich dankbar sein? Durch solches Schärfen der eigenen Wahrnehmung kann man eine Lebenshaltung der Dankbarkeit entwickeln, die zum eigenen Glück beiträgt.
4. Achtsamkeit für die kleinen Erfahrungen alltäglichen Glücks
Es ist hilfreich, im Alter sensibel zu werden für die vielen kleinen, alltäglichen Freuden und Glückserfahrungen, um diese bewusst auszukosten und zu geniessen. Nicht nur grossartige Erlebnisse wie eine Weltreise, eine mehrtägige Bergtour oder ein Gewinn im Lotto machen glücklich. Gerade im Alter entwickeln manche Menschen eine Achtsamkeit für das Unscheinbare, Alltägliche, das beglückend sein kann.
So sagt die 91-jährige Psychologin Erika Horn: «Wir müssen uns bemühen um ein Offenbleiben auf Lebensfreuden hin, die sich leicht in dieser Lebensphase verdunkeln, verstellen, entziehen können. Und gerade in den sich verkleinernden Lebensräumen […] werden die ganz einfachen Lebensfreuden noch intensiver, noch tröstlicher. Etwa das Stück Wiese vor dem Haus und ihr tiefes Grün, der Duft der Rosen, eine Grusskarte der jüngsten Enkelin, ein liebes Telefongespräch, ein unerwarteter Besuch. Wir müssen alles ganz bewusst wahrnehmen, es <auskosten>, die Eindrücke, die Freuden auch mitteilen.»
5. Beziehungen pflegen – für andere geniessbar bleiben
Beziehungen sind gerade im Alter eine wichtige Quelle des Glücks. Dafür, dass Beziehungen lebendig bleiben, muss man sich aber auch selber engagieren: zum Beispiel, indem man anderen Interesse entgegenbringt für das, was sie denken, tun und erleben; oder indem man anderen zugesteht, anders zu sein und zu leben wie sie es tun und sie nicht an unseren Massstäben misst; oder indem man Jüngeren und Neuem offen und tolerant, auch mit Nachsicht begegnet und nicht der irrigen Meinung anhängt, früher sei doch alles besser gewesen. Beglückende Beziehungen kann man nur leben, wenn man sich so verhält, dass man für andere auch im Alter geniessbar bleibt. Daran kann und muss man im Alter selbstkritisch arbeiten.
6. Gelassenheit
Wer Gelassenheit entwickelt, trägt wesentlich zu seinem Glück im Alter bei. Gelassenheit meint eine innere Freiheit zum Loslassen in vielfältiger Gestalt: zum Loslassen von bisherigen Überzeugungen (man muss nicht auf seinem Standpunkt beharren, man kann auch im Alter noch seine Meinung ändern und dazulernen!); zum Loslassen von Aktivitäten (man muss nicht mehr überall mitmachen und dabei sein wollen!); zum Loslassen von Positionen (man kann anderen, Jüngeren bewusst den Vortritt lassen und ins zweite Glied zurück treten!); zum Loslassen von Kontrollbedürfnissen (man muss nicht versuchen, alles im Griff zu haben, kann Unerwartetes vielmehr offen und gelassen auf sich zukommen lassen). Solche Gelassenheit wird zuweilen als philosophische oder kontemplative Lebenseinstellung bezeichnet. Wer sie einübt, ist zweifellos Erfahrungen von Glück auf der Spur.
Fazit
Alter ist eine Lebensphase, die bei allen damit einhergehenden Schwierigkeiten und Herausforderungen ein reiches Mass an Erfahrungen des Glücks ermöglicht. Ob Menschen solche Erfahrungen machen und sie ihr Alter auch tatsächlich als geglückt empfinden können, hängt wesentlich von ihrer persönlichen Lebenseinstellung ab. Es lohnt sich, im Sinne der genannten sechs Anregungen bewusst an einer solchen Einstellung zu arbeiten.
Kommentar
Vielen Dank für den interessanten Artikel.
Habe ihn aber unterdessen schon mindestens 4x erhalten…..! Ich nehme nicht an, dass ich mehrmals auf ihrer Mailingliste bin, oder? 1x genügt! Danke.
Sonnige Grüsse,
Ines Presti.
Wir bitten um Verzeihung für die technischen Probleme, die zu einem mehrmaligen Versand des Hinweises auf diesen Artikel geführt haben!
Das Gerontologieblog-Team