In den letzten Jahrzehnten wird von verschiedenen Studien die Bedeutung von alltäglichen partnerschaftlichen Interaktionen für das längerfristige Wohlbefinden und den Gesundheitszustand der Partner*innen betont. Deswegen ist es wichtig, die kurzfristigen emotionalen und Kommunikationsdynamiken – welche im Rahmen partnerschaftlicher Interaktionen stattfinden – und ihre Entwicklung über die Lebensspanne verstehen zu können.
Die Art und Weise, wie romantische Paare in ihren alltäglichen Interaktionen kommunizieren sowie Emotionen erleben und ausdrücken, hängt sowohl im Alltag als auch längerfristig mit dem Wohlbefinden und Gesundheitszustand der Partner*innen zusammen (Hoppmann et al., 2011; Kiecolt-Glaser & Wilson, 2017; Weber, 2021). Die Untersuchung, wie sich Kommunikations- und affektive Muster während partnerschaftlichen Interaktionen manifestieren und entwickeln, ist daher von grosser Bedeutung für die Förderung des Wohlbefindens und der Gesundheit von Paaren über die Lebensspanne (z.B. Kiecolt-Glaser & Wilson, 2017). Neue Technologien erlauben uns heutzutage, multimodale, hochdichte Daten aus partnerschaftlichen Interaktionen zu sammeln und diese entsprechend zu analysieren, um diese wichtigen kurzfristigen und dynamischen Interaktionsprozesse besser zu verstehen (Butler, 2011; Hamaker, 2012).
Dynamische Prozesse während partnerschaftlicher Interaktionen
Romantische Partner*innen beeinflussen sich gegenseitig und kontinuierlich in ihrem Kommunikationsverhalten sowie in dem Erleben und Ausdrücken von Emotionen während ihrer alltäglichen Interaktionen (Butler, 2011). Diese dynamischen Prozesse, welche innerhalb jedes Paares stattfinden, manifestieren sich nicht nur im Laufe von Tagen oder Stunden, sondern auch in sehr kurzen Zeitintervallen, wie zum Beispiel Sekunden oder sogar Millisekunden (z.B. Gable et al., 2012). Im Laufe der Zeit akkumulieren die Effekte der kurzfristigen emotionalen und Kommunikationsdynamiken und beeinflussen dadurch längerfristig den Gesundheitsverlauf jedes Paares (Kiecolt-Glaser & Wilson, 2017; Pauly et al., 2021). Deswegen ist es wichtig, die Entwicklung von verschiedenen Aspekten der partnerschaftlichen Interaktionen innerhalb jedes Paares sogar in Zeitintervallen von Sekunden oder Millisekunden messen zu können.
Die Messung der Kommunikation und Emotionen in Paaren
Die Messung der Kommunikation und Emotionen innerhalb von Paaren umfasst eine Vielzahl von Aspekten, Methoden und Studiendesigns. Der vorliegende Blogbeitrag fokussiert hauptsächlich auf die Studiendesigns und Methoden, welche eine kontinuierliche Erfassung der kurzfristigen emotionalen und Kommunikationsprozesse während partnerschaftlicher Interaktionen erlauben. Die Mehrheit der existierenden Studien in diesem Bereich untersucht die partnerschaftlichen Interaktionen im Labor und insbesondere mittels Verhaltensbeobachtungen. Meistens werden die Interaktionen aufgenommen und im Nachhinein von Paaren selber evaluiert sowie von Forschenden analysiert.
Ein Aspekt, welcher von vielen Studien gemessen wird, ist zum Beispiel das emotionale Erlebnis der Partnerinnen. Diese werden nach den Interaktionen instruiert, die aufgenommenen Gespräche separat anzuschauen und Sekunde pro Sekunde mithilfe eines Joysticks die Valenz ihres Gefühlszustandes anzugeben (z.B. Butler et al., 2014; Levenson & Gottman, 1983). Ausserdem sind physiologische Messungen während partnerschaftlicher Interaktionen im Labor ein weiterer Aspekt, der in vielen Studien erhoben wird, da physiologische Indikatoren (z.B. Herzschlagfrequenz, Hautleitfähigkeit) eng mit emotionaler Erregung und Zustand während Interaktionen zusammenhängen (z.B. Chen et al., 2021; Coutinho et al., 2019). Diese Messungen ergeben Zeitreihendaten beider Partnerinnen jedes Paares, und dadurch kann untersucht werden, wie sich die Emotionen und/oder die Physiologie der beiden Partnerinnen gemeinsam während der Interaktionen entwickeln (z.B. Butler, 2011; Chen et al., 2021; Coutinho et al., 2019).
Darüber hinaus sind die Paarforschenden daran interessiert, die komplexen, funktionalen und dysfunktionalen Kommunikationsmuster von Paaren zu verstehen. Dieses Verständnis setzt eine mikro-analytische Untersuchung des verbalen (z.B. Wortwahl, Gesprächsinhalten), nonverbalen (z.B. Mimik, Gestik) und paraverbalen (z.B. Sprachlautstärke) Verhaltens der Partnerinnen voraus. Aus diesem Grund wurden etablierte Kodierungssysteme entwickelt, welche diese verschiedenen Verhaltensaspekte erfassen können. Beispiele sind das Specific Affect Coding System (SPAFF; Gottman, 1994) und adaptierte Versionen davon (Bodenmann, 2011), welche Kategorien der verbalen und nonverbalen positiven Kommunikation (z.B. Interesse, Validierung) sowie Kategorien zur verbalen und nonverbalen negativen Kommunikation (z.B. Kritik, Verachtung) umfassen. Wissenschaftliche Hilfskräfte schauen sich, nach intensiver Schulung in diesen Kodierungssystemen, die aufgezeichneten Interaktionen an und kodieren anschliessend das Verhalten der Partner*innen in Sekundenintervallen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese kurzfristigen emotionalen und Kommunikationsprozesse, welche den Paaren oft nicht bewusst sind, durch ihre Messung von unsichtbar in sichtbar umgewandelt werden. Die Paare können somit über ihr Verhalten und Erleben reflektieren und diese bewusst ändern. Schliesslich ermöglichen diese Daten und ihre Analyse die Entwicklung entsprechender Präventions- und Therapieprogramme für Paare.
Referenzen
Dolcetti, M. (2024, March 12). Understanding the micro-dynamics of couples’ interactions across the adult lifespan. Noldus Behavioral Research Blog. https://www.noldus.com/blog/understanding-micro-dynamics-couples-interactions
Hoppmann, C. A., Gerstorf, D., Willis, S. L., & Schaie, K. W. (2011). Spousal interrelations in happiness in the Seattle Longitudinal Study: Considerable similarities in levels and change over time. Developmental Psychology, 47(1), 1-8. https://doi.org/10.1037/a0020788
iMotions. (2023). iMotions (Version 9.3) [Computer Software]. https://www.imotions.com
Kiecolt-Glaser, J. K., & Wilson, S. J. (2017). Lovesick: How Couples’ Relationships Influence Health. Annual Review of Clinical Psychology, 13(1), 421–443. https://doi.org/10.1146/annurev-clinpsy-032816-045111
Meier, T., Milek, A., Mehl, M. R., Nussbeck, F. W., Neysari, M., Bodenmann, G., Martin, M., Zemp, M., & Horn, A. B. (2021). I blame you, I hear you: Couples’ pronoun use in conflict and dyadic coping. Journal of Social and Personal Relationships, 38(11), 3265-3287. https://doi.org/10.1177/02654075211029721
Noldus Information Technology. (2023). Noldus FaceReader (Version 9.1) [Computer software]. http://www.noldus.com/facereader
Weber, E. (2021). Longitudinal Co-development of Well-being and Emotional Experiences in Dyadic Partner Relationships in Old Age [Doctoral dissertation, University of Zurich]. ZORA