In diesem Teil stellen wir das Beispiel der PASEZ-Studie vor – eine Längsschnittstudie, welche die Entwicklung von Partnerschaften über 10 Jahre hinweg untersuchte.
In den letzten Jahrzehnten wird von verschiedenen Studien die Bedeutung von alltäglichen partnerschaftlichen Interaktionen für das längerfristige Wohlbefinden und den Gesundheitszustand der Partner*innen betont (z.B. Hoppmann et al., 2011; Kiecolt-Glaser & Wilson, 2017; Weber, 2021). Deswegen ist es wichtig, die kurzfristigen emotionalen und Kommunikationsdynamiken – welche im Rahmen partnerschaftlicher Interaktionen stattfinden – und ihre Entwicklung über die Lebensspanne verstehen zu können (Teil 1). In diesem zweiten Teil wird das Beispiel der PASEZ-Studie vorgestellt, eine Längsschnittstudie, welche die Entwicklung von Partnerschaften über 10 Jahre hinweg untersuchte.
Die PASEZ-Studie
Um besser zu verstehen, wie die Kommunikations- und emotionalen Aspekte partnerschaftlicher Interaktionen vom Alltagsstress und anderen relevanten Faktoren beeinflusst werden, wie sie sich in unterschiedlichen Altersgruppen manifestieren und in einem Zeitraum von 10 Jahren entwickeln, wurde am Psychologischen Institut der Universität Zürich die zehnjährige PASEZ-Studie («Partnerschaft und Stress: Entwicklung im Zeitverlauf») durchgeführt (https://www.psychologie.uzh.ch/de/bereiche/hea/kjpsych/forschung/laufende-projekte/paare/pasez.html). Die PASEZ-Studie, finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), ist eine Kollaboration zwischen drei Lehrstühlen am Psychologischen Institut der UZH: Klinische Psychologie Kinder/Jugendliche & Paare/Familien (Prof. Dr. Guy Bodenmann), Gerontopsychologie und Gerontologie (Prof. Dr. Mike Martin) und Psychologie der Motivation, Volition und Emotion (Prof. Dr. Veronika Brandstätter-Morawietz). Ausserdem wurde eine Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Methoden für intensive Daten in der Psychologie (Prof. Dr. Fridtjof Nussbeck) der Universität Konstanz aufgebaut.
Untersuchung von partnerschaftlichen Interaktionen im Labor
An dieser Längsschnittstudie haben von 2011 bis 2022 Schweizer Paare aus drei Alterskohorten teilgenommen. Neben dem Ausfüllen von Fragebögen über ihre Partnerschaft, wurden die Paare einmal jährlich (während der ersten fünf Jahre und im letzten Jahr der Studie) ins Labor eingeladen, wo sie jedes Mal drei achtminütige Gespräche (ein Konflikt- und zwei Dyadic Coping-Gespräche [d.h. Gespräche zu partnerschaftlicher Bewältigung]) durchführten.
Mehrere Forscher*innen haben mithilfe der PASEZ-Daten den Zusammenhang zwischen verschiedenen Kommunikationsmustern und der Beziehungs- sowie Interaktionsqualität von Paaren über die Lebensspanne untersucht. Meier et al. (2021) untersuchten zum Beispiel den Gebrauch von Pronomen in Konflikt- sowie Dyadic Coping-Gesprächen, welche während des ersten Jahres der PASEZ-Studie durchgeführt wurden. Es konnte gezeigt werden, dass ein asymmetrischer Fokus auf den*die Partner*in während des Konfliktgesprächs (manifestiert durch den Gebrauch des Pronomens «du») mit einer niedrigeren Interaktionsqualität zusammenhing, während eine häufigere Nutzung des Pronomens «wir» von beiden Partner*innen mit einer höheren Qualität der Konfliktinteraktion verbunden war. Im Kontext der Dyadic Coping-Interaktionen schien jedoch der asymmetrische Gebrauch von Pronomen eine andere Funktion zu haben. Insbesondere deutete ein überwiegender Gebrauch des Pronomens «du» seitens des*der unterstützenden Partner*in und eine höhere Diskrepanz in dem Gebrauch des Pronomens «ich» seitens des*der gestressten Partner*in auf einen stärkeren Fokus auf den gestressten Partnerteil und seine Bedürfnisse hin (z.B., dass man ihm während seiner Stressäusserung zuhört). Dieser asymmetrische Gebrauch von Pronomen hing mit einer höheren gezeigten Positivität (z.B. Interesse) seitens des*der unterstützenden Partner*in während des Gesprächs zusammen, was ein Hinweis für ein funktionelles Dyadic Coping Verhalten darstellt. Diese Ergebnisse zeigen, dass Merkmale der verwendeten Sprache (z.B. Pronomen) während partnerschaftlicher Interaktionen kontextabhängige Indikatoren der Interaktions- und Beziehungsqualität sein können.
Förderung der automatischen Verhaltenskodierung durch neue Technologien
Für die Durchführung der PASEZ-Studie während des zehnten Messzeitpunktes wurde ein hochmodernes, benutzerfreundliches Beobachtungslabor, das Dyadic Dynamics Analytics Lab, eingerichtet. Insbesondere neue Software und Hardware haben die Untersuchung von zusätzlichen Aspekten der partnerschaftlichen Interaktionen erlaubt, für welche sonst sehr viele Ressourcen und Zeit benötigt würden. Die emotionalen Gesichtsausdrücke der Partner*innen (z.B. Freude, Ärger) während der Interaktionen und ihre Intensität können automatisch und kontinuierlich mithilfe von zwei Emotionserkennungs-Softwaren (Noldus FaceReader und iMotions) analysiert werden, welche auf maschinellem Lernen basieren. Dies erlaubt uns jetzt zusätzlich die emotionalen Mikro-Dynamiken innerhalb von Paaren über die Lebensspanne besser zu verstehen (Dolcetti, 2024).
Die multimodalen, hochdichten Daten aus partnerschaftlichen Interaktionen über 10 Jahre hinweg, welche im Rahmen der PASEZ-Studie erhoben wurden, erlauben uns daher eine bessere Einsicht in diese komplexen und dynamischen Interaktionsprozesse zu gewinnen sowie Präventions- und Therapieprogramme für Paare entsprechend zu gestalten.
Referenzen
Dolcetti, M. (2024, March 12). Understanding the micro-dynamics of couples’ interactions across the adult lifespan. Noldus Behavioral Research Blog. https://www.noldus.com/blog/understanding-micro-dynamics-couples-interactions
Hoppmann, C. A., Gerstorf, D., Willis, S. L., & Schaie, K. W. (2011). Spousal interrelations in happiness in the Seattle Longitudinal Study: Considerable similarities in levels and change over time. Developmental Psychology, 47(1), 1-8. https://doi.org/10.1037/a0020788
iMotions. (2023). iMotions (Version 9.3) [Computer Software]. https://www.imotions.com
Kiecolt-Glaser, J. K., & Wilson, S. J. (2017). Lovesick: How Couples’ Relationships Influence Health. Annual Review of Clinical Psychology, 13(1), 421–443. https://doi.org/10.1146/annurev-clinpsy-032816-045111
Meier, T., Milek, A., Mehl, M. R., Nussbeck, F. W., Neysari, M., Bodenmann, G., Martin, M., Zemp, M., & Horn, A. B. (2021). I blame you, I hear you: Couples’ pronoun use in conflict and dyadic coping. Journal of Social and Personal Relationships, 38(11), 3265-3287. https://doi.org/10.1177/02654075211029721
Noldus Information Technology. (2023). Noldus FaceReader (Version 9.1) [Computer software]. http://www.noldus.com/facereader
Weber, E. (2021). Longitudinal Co-development of Well-being and Emotional Experiences in Dyadic Partner Relationships in Old Age [Doctoral dissertation, University of Zurich]. ZORA