Augenmobil bringt die Augenheilkunde ins Pflegezentrum

Sehbeeinträchtigungen und Sehverlust sind ein grosses Gesundheitsproblem im Alter, das beträchtliche Auswirkungen für die betroffenen Personen hat. Für viele ist eine veränderte Sehleistung im Alter jedoch normal und deshalb kein Grund für eine regelmässige augenärztliche Kontrolle. Nach dem Eintritt in ein Pflegezentrum geht der Besuch beim Augenarzt leicht vergessen. Augenmobil wirkt dem entgegen und untersucht Bewohnerinnen und Bewohner direkt im Pflegezentrum.

Altersbedingte Sehschädigungen und ihre Folgen

Die Prävalenz der altersbedingten Sehbeeinträchtigungen steigt mit zunehmendem Alter an. Jedoch mangelt es in der Schweiz an genauen Zahlen, wie viele Menschen im Alter von 70 plus in ihrer Sehleistung beeinträchtigt sind oder einen Sehverlust haben (Thederan, 2016). Fachleute nehmen an, dass jede dritte Person davon betroffen ist.

Die häufigsten Ursachen für eine Sehbeeinträchtigung sind ein Katarakt (Grauer Star), ein Glaukom (Grüner Star), eine Makuladegeneration oder eine diabetische Retinopathie. Unabhängig von der Ursache beeinflusst die Veränderung der Sehkraft die betroffene Person massgeblich. Im Vordergrund stehen der Verlust der Selbständigkeit und der Unabhängigkeit, wovon der Alltag und das gewohnte Leben stark betroffen sind.

Die Folgen einer Abnahme der Sehkraft wirken sich auch auf die Mobilität aus. Die visuell–motorische Koordination ist ungenau, der Gang unsicher. Tiefe und Distanz beim Gehen und Autofahren können nur noch vermindert beurteilt werden. Das Sturzrisiko ist deshalb bei Menschen mit verminderter Sehkraft erhöht. Die Sturzfolgen können wiederum zu körperlichen Einschränkungen und zu einer Abhängigkeit in der Ausübung der Alltagsaktivitäten führen.

Augenerkrankungen nicht erkannt

Viele ältere Menschen empfinden eine sich verändernde Sehleistung als normal und lassen sich nicht augenärztlich untersuchen. So werden Sehbeeinträchtigungen oder ein Sehverlust oft nicht als das erkannt. Erfolgt ein Eintritt in eine Pflegeinstitution zeigt sich häufig, dass nichts über mögliche Augenerkrankungen oder Sehbeeinträchtigungen bekannt ist. Ausgenommen davon ist das Tragen einer Brille.

In der Folge, wird im Pflegealltag nicht daran gedacht wird, dass ein unkooperatives Verhalten oder Desorientierung durch eine Sehstörung hervorgerufen sein könnte. Das Verhalten einer Person aufgrund einer visuellen Wahrnehmungseinbusse wird fehlgedeutet, und oft als dementielle Erkrankung ausgelegt. Dies liegt nahe, denn ein hoher Prozentsatz der Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeinstitutionen leidet an einer dementiellen Erkrankung. Gewissheit kann nur eine augenärztliche Untersuchung bringen.

Augenärztliche Versorgung der älteren Menschen

Fakt ist, dass ältere Menschen augenärztlich schlechter versorgt sind, ungeachtet ob sie zuhause oder im Pflegezentrum leben. Studienergebnisse aus dem europäischen Ausland belegen, dass nur ein Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen regelmässig in augenärztlicher Kontrolle ist (Fang, 2017). Es besteht also ein umfassender Bedarf an Diagnostik und Behandlung von Augenerkrankungen. Dies zeigt sich unter anderem an einer Unterversorgung mit Sehhilfen. Nicht alle Personen, die eine Brille benötigen, wurden identifiziert oder tragen eine ihrer Sehstärke entsprechenden Brille.   

Untersuchungen in der Facharztpraxis oder im vertrauten Umfeld

Während der Hausarztbesuch Routine ist, geht ein Facharztbesuch mit viel Ungewohntem einher. Er ist eine Herausforderung für alle Beteiligte: eine längere Anreise, womöglich mit ÖV oder Taxi, die Praxisräume und die Mitarbeitenden sind nicht vertraut, und dann noch unbekannte Untersuchungen. Die Begleitung durch ein Familienmitglied oder eine Pflegefachperson ist unerlässlich und hilft dabei, die Hürden zu nehmen. Das gilt für alte Menschen, die zuhause wohnen, insbesondere aber für die Bewohnerinnen und Bewohner von Langzeitpflegeinstitutionen.

Seit 2018 schafft die mobile Augenarztpraxis «Augenmobil» Abhilfe. Augenmobil ist als ambulantes Versorgungsangebot für betagte und in der Mobilität eingeschränkte Personen zugelassen. Die Kosten der Untersuchung werden von den Krankenkassen übernommen.

Der Fokus von Augenmobil liegt auf einer ophthalmologischen Grunduntersuchung, die durch geschultes Praxispersonal (MPA) im Pflegezentrum durchgeführt wird. Bei der Grunduntersuchung werden die Sehschärfe, die Druckverhältnisse am Auge, des äusseren Auges, der Iris und Linse, der Sehnerv sowie die Netzhaut beurteilt. Alle Untersuchungsergebnisse werden elektronisch erfasst und von einer Fachärztin, einem Facharzt für Augenheilkunde telemedizinisch interpretiert und beurteilt. Die Befunde sowie Empfehlungen für die weitere Behandlung werden der Heimärztin, dem Heimarzt schriftlich mitgeteilt.

Die Untersuchung direkt im Pflegezentrum bringt einige Vorteile mit sich. Das Team Augenmobil kommt für ein bis mehrere Tage in ein Pflegezentrum. Die Termine für die zu untersuchenden Bewohnerinnen und Bewohner werden zwar vereinbart aber flexibel genutzt. So kann auf die Tagesverfassung der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner eingegangen werden, was sich besonders bei Menschen mit Demenz bewährt hat. Zeit- und personalaufwändige Besuche in der Facharztpraxis sind nur in wenigen Fällen für weiterführende Untersuchungen erforderlich.

Die regelmässigen augenärztlichen Untersuchungen vor Ort im Pflegezentrum stellen nicht nur die Sehleistung durch eine gezielte Behandlung sicher. Sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Stürzen und deren Folgen.

Links

Augenmobil: www.augenmobil.ch

Film «Wie funktioniert Augenmobil»: https://augenmobil.ch/augenmobil/

https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/augencheck-im-pflegeheim/story/26351618

Fang PP; Schnetzer A, Kupitz DG, Göbel AP, Kohnen T, Reinhard T, Lorenz B, Hoerauf H, Wagenfels L, Auffarth G, Schaub F, Thieme H, von Livonius B, Alten F, Robering A, Brandl C, Ziemssen F, Krummenauer F, Holz FG, Finger RP. Ophthalmologische Versorgung in Pflegeheimen. Die OVIS-Studie. Der Ophthalmologe 2017 Sep;114(9):818-827. doi: 10.1007/s00347-017-0557-0

Thederan L, Steinmetz S, Kampmann S, Koob-Matthes AM, Grehn F, Klink T. The Prevalence of Visual Impairment in Retirement Home Residents. Deutsches Ärzteblatt International 2016; 113: 323-7

SRF Sendung «Gesundheitheute» vom 6.3.2021, Augenmobil im Pflegezentrum Gehrenholz ab Minute 17:45 https://www.srf.ch/play/tv/gesundheitheute/video/bruechige-knochen-beim-mann?urn=urn:srf:video:ed163685-6a77-4d47-97a2-6ebedda35b77

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