Gibt es Wege, die Mundgesundheit und Kaukraft von Menschen mit Demenz zu sichern?

Es ist aktuell wenig erforscht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Abnahme kognitiver Fähigkeit und der Verschlechterung der Mundgesundheit resp. der Ernährung bei Menschen mit Demenz gibt. Die möglichen Ursachen, die diesen Prozessen zugrunde liegen, können vielfältig sein. Neben einer Verschlechterung der Selbständigkeit kann auch die sich verändernde Art und Weise der Durchführung der Mundhygiene (Putzen der Zähne, Prothesenpflege, Häufigkeit etc.) die orale Gesundheit negativ beeinflussen. Die gehäufte Einnahme von Zwischenmahlzeiten (z. B. ständige Präsenz von Fingerfood) oder bei zusätzlich diagnostizierter Dysphagie der Konsum von kariogenen Nahrungsergänzungsmitteln sind als mögliche Ursachen für eine Verschlechterung der oralen Gesundheit zu prüfen.

Die Basis der klinischen Untersuchungen

Um den Zusammenhang zwischen Demenz und der Mundgesundheit bzw. der Kaufunktion festzustellen, haben Frau Dr. med. dent. Julia Jockusch, M.Sc. und Frau Prof. Dr. Ina Nitschke, MPH insgesamt über 120 Menschen mit und ohne Demenz ab 60 Jahren untersucht.

Mit Hilfe von Interventionen (z.B. Erhöhung der Anzahl an professionellen Zahnreinigungen und ein Dauerrezept für eine hochfluoridhaltige Zahnpasta, oder regelmässige physiotherapeutische Übungen zur Stärkung der Kaumuskulatur) sollten Wege für eine mögliche positive Beeinflussung der Mundgesundheit und Kaufunktion bei Menschen mit und ohne Demenz gefunden werden.

Mundgesundheit bei Menschen mit Demenz ist deutlich reduziert

Die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ist vom Grad der Demenz abhängig. Mit der Zunahme der kognitiven Beeinträchtigung bzw. der Demenz zeigte sich eine deutliche Verringerung der Inanspruchnahme des Zahnarztes als auch der Dentalhygienikerin. Parallel dazu sank der Grad der Versorgung mit zahnärztlichen Massnahmen mit zunehmender Demenz, es kam zu einer Verschlechterung von Mundgesundheitsparametern, wie z.B. dem Oralen Hygiene Index sowie der Zahnprothesenhygiene.

Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Mundgesundheitsparameter durch Erhöhung der Recall-Häufigkeit und durch die kontinuierliche Verwendung von Zahnpasta mit hohem Fluoridgehalt stoßen bei Menschen mit schwerer Demenz an ihre Grenzen. Zur Verbesserung der Mundgesundheit gefährdeter älterer Patienten sollten multidimensionale Ansätze verfolgt werden.

Abnahme der Kaufähigkeit mit der Zunahme des Schweregrades der Demenz

Mit der Zunahme der Demenz ist eine Verschlechterung der Kaueffizienz (Mass für den Zerkleinerungsgrad einer definierten Nahrungsmenge innerhalb einer bestimmten Zeit oder mit einer definierten Anzahl von Kauzyklen) sowie der Kaukraft (Mass für die physiologisch mögliche Kraft des Menschen zur Zerkleinerung des Kaugutes) zu verzeichnen.

Innovativer Ansatz zur Verbesserung der Kaufähigkeit

Im Rahmen der Studie wurde zum ersten Mal ein Programm zum Training der Kaumuskulatur mittels physiotherapeutischer Übungen angewandt, welches die Kaufähigkeit unabhängig vom kognitiven Zustand beeinflusste. Die Kaukraft war bei den Studienteilnehmern ohne Demenz oder mit leichten kognitiven Einschränkungen durch das Training erhöht. Ohne weiteres Training verschwand der Effekt jedoch. Die Kaueffizienz wurde bei allen Studienteilnehmern mit diesem Training, egal ob mit oder ohne Demenz, erhöht. Die Studienteilnehmer mit  milder Demenz schienen am meisten von den physiotherapeutischen Übungen im Hinblick auf die Verbesserung der Kaueffizienz zu profitieren. Studienteilnehmer ohne Demenz zeigten den grössten Zugewinn an Kaukraft.

Literatur

Jockusch J, Hopfenmüller W, Nitschke I. Influence of cognitive impairment and dementia on oral health and the utilization of dental services: Findings of the Oral Health, Bite force and Dementia Study (OrBiD). BMC Oral Health. 2021;21(1):399. Published 2021 Aug 14. doi:10.1186/s12903-021-01753-3

Jockusch J, Nitschke S, Hopfenmüller W, Schierz O, Hahnel S, Nitschke I. Impact of an Oral Hygiene Intervention in People with and without Dementia on Oral Health Parameters-Results from the Oral Health, Bite Force, and Dementia (OrBiD) Pilot Study. J Clin Med. 2022;11(5):1356. Published 2022 Mar 1. doi:10.3390/jcm11051356

Jockusch J, Hopfenmüller W, Nitschke I. Chewing function and related parameters as a function of the degree of dementia: Is there a link between the brain and the mouth? J Oral Rehabil. 2021;48(10):1160-1172. doi:10.1111/joor.13231

Jockusch J, Hahnel S, Sobotta BBAJ, Nitschke I. The Effect of a Masticatory Muscle Training Program on Chewing Efficiency and Bite Force in People with Dementia. Int J Environ Res Public Health. 2022;19(7):3778. Published 2022 Mar 22. doi:10.3390/ijerph19073778

Alle
Bildung
Dialog
Forschung
Praxis

Kommentar Schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert