«Zentral ist, ob Menschen bei ihrer Arbeit glücklich sind»

Gesundheitseinrichtungen befinden sich in zunehmendem Wettbewerb. Entsprechend wichtig ist die Kundenorientierung. Gleichzeitig gilt es auch, den heutigen Ansprüchen der Mitarbeitenden gerecht zu werden. Im Rahmen ihrer Masterarbeit zum MAS in Health Service Management hat Fabienne Hasler untersucht, inwiefern Ansätze von «Positive Leadership» zu zukunftspraktikablen Führungskonzepten beitragen können.

Die Rolle der Führung hat sich verändert

Angesichts steigender Komplexität und wachsender Wettbewerbsdynamik sehen sich Führungskräfte im Gesundheitswesen zunehmend gefordert. Sie stehen vor der Herausforderung, ihrem Team trotz Komplexität und Wandel einen Rahmen für die Entfaltung der bestmöglichen Leistungen der Mitarbeitenden zu schaffen. Daneben hat sich auch die Rolle als Führungskraft verändert.
Sowohl globale Veränderungen als auch zwischenmenschliche Herausforderungen befinden sich insgesamt im Wandel und stellen zentrale Anforderungen an Führungskräfte (hohe Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und Toleranz). Als Folge davon unterliegen deren Führungskompetenzen einem Wandel. Teamstrukturen werden immer fluider und das Rollenverständnis von Führungskräften insgesamt dynamischer. Bewährte Führungspraktiken entsprechen plötzlich nicht mehr den geforderten Ansprüchen, da sich Erwartungen und Ansprüche verändert haben. Oftmals geht es im Wesentlichen nämlich nicht mehr darum, Arbeit vorzubereiten, Aufgaben zu verteilen und das Tagesgeschäft zu koordinieren. Vielmehr sollte eine Führungskraft den Rahmen schaffen, der es den Mitarbeitenden ermöglicht, ihrer Arbeit selbständig und effizient nachzukommen sowie ihr volles Potenzial zu entfalten. Ausserdem gelten Führungspersonen heute nicht mehr automatisch als Autorität, nur weil sie sich in der Organisationshierarchie weiter oben befinden. Vielmehr müssen sie sich diese Autorität aktiv erarbeiten – im Dialog mit den Mitarbeitenden. Führungsstile werden zunehmend von den «Geführten» geprägt. Eine ausgeprägte Sozialkompetenz ist dadurch genauso unerlässlich wie Einfühlungsvermögen, Kontextsensitivität sowie die Fähigkeit, ganzheitliche Perspektiven einzunehmen.

Aufgrund der Annahme, dass sich die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz weiter erhöhen wird, stellt sich gewissermassen die Frage, wie Führungskräfte die zukünftigen Herausforderungen zeitgemässer Mitarbeiterführung meistern können und gleichzeitig genügend widerstandsfähig bleiben können.
Deshalb sind Möglichkeiten und Strategien gesucht, um den steigenden Anforderungen positiv entgegentreten zu können. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse können dabei die Basis für neue Managementtheorien bilden. Das Wissen über die Funktionsweisen des menschlichen Gehirns bildete deshalb die Grundlage der beschriebenen MAS-Arbeit, da die Integration dieser Theorien helfen kann, Verhaltensweisen von Mitarbeitenden besser nachzuvollziehen und indirekt zu beeinflussen.

Online-Befragung zu zentralen Herausforderungen der Mitarbeitendenführung

Im Rahmen der Masterarbeit wurden 68 Führungskräfte befragt. Anhand der Datenanalyse wurde ersichtlich, dass Herausforderungen an Führungskräfte in drei Bereiche – nämlich Führungskraft, Unternehmung und Mitarbeitende – gegliedert werden können.

  • Abflachende Hierarchien und die zunehmende Übergabe von Eigenverantwortung an Mitarbeitende
  • Zunehmende Marktdynamik mit der Fülle an neuen Produkten und Dienstleistungen
  • Verstärkter Wettbewerb im Gesundheitswesen
  • Wirtschaftliche Aspekte und verstärkte Kundenorientierung
  • Teilhabe und Mitbestimmung von Seiten der Mitarbeitenden und Einbindung in Entscheidungsprozesse
  • Individuelle Motive und Ansprüche von Mitarbeitenden an die Arbeit werden komplexer.
  • Die Suche nach Selbstverwirklichung und vielfältige Quellen der Motivation beeinflussen die Mitarbeiterführung

Nicht zuletzt empfinden es Führungskräfte ausserdem als Herausforderung, eine Balance zwischen wirtschaftlichen Voraussetzungen und persönlichen Werten zu finden.

«Glücksmanagement im Unternehmen» als Grundlagenkonzept

Positive Leadership und Neuroleadership bilden Konzepte eines Führungsverständnisses, das auf Stärken, Ressourcen und Potenzialen von Mitarbeitenden und Unternehmungen fokussiert. Als ergänzende Theorie wurde innerhalb der Arbeit das «Glücksmanagement in Unternehmungen» aufgegriffen. Es stellt ein eher junges Forschungsfeld dar und baut auf der Überzeugung auf, dass Sinnempfinden, Selbstverwirklichung und Gemeinschaft zentrale Bedingungen für Glück in Unternehmungen darstellen.

Zufriedenheit ≠ Glück – ein Differenzierungsversuch

Innerhalb der Arbeit wird bewusst zwischen zufriedenen und glücklichen Mitarbeitenden unterschieden. Zufriedenheit muss dabei nicht bedeuten, dass jemand in seiner Arbeit aufgeht. So sind Mitarbeitende mit ihrem Job beispielsweise «relativ zufrieden», weil sie diesen mit einer früheren Arbeitsstelle vergleichen – im Sinne von «es könnte noch schlimmer sein».
Wird die Thematik von Glück am Arbeitsplatz vertieft, so gilt es zunächst zu klären, wie Glück denn überhaupt entsteht und worin Unterschiede zur Zufriedenheit liegen. Die Glücksforschung unterscheidet deshalb zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Eine extrinsische Handlung erfolgt dann, wenn ein Handlungsziel beispielsweise mit Lob, Anerkennung, Beförderung oder höherem Gehalt belohnt wird. Die intrinsische Handlung wird hingegen schon an sich als Genugtuung erlebt und spornt zu weiteren Aktivitäten an. Zusammengefasst lässt sich somit sagen, dass Glück durch intrinsisch motivierte Aktivitäten entsteht, während Zufriedenheit immer dann auftritt, wenn extrinsisch motivierte Tätigkeiten mit der erwarteten Belohnung gewürdigt werden.

Arbeitszufriedenheit als einziger Parameter?

An dieser Stelle mag man sich nun fragen, ob Handlungsbedarf besteht, wenn Unternehmen regelmässig nur die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeitenden erfassen.

Denn zentral ist, ob Menschen bei ihrer Arbeit glücklich sind. Das ist bislang ein Thema, das in Unternehmungen nur selten thematisiert wird. Das Glück der Mitarbeitenden gilt gewissermassen als Privatsache. Die Forscherin Ricarda Rehwaldt ist sogar der Auffassung, dass eine Orientierung an der Arbeitszufriedenheit aufgrund der ausweisbaren, steigenden Anzahl psychischer Erkrankungen und des hohen Anteils sogenannt innerer Kündigungen ein psychologischer und ökonomischer Irrweg ist. Spezifiziert wird dies, indem Mitarbeitende oft angeben, mit ihrer Arbeit zufrieden zu sein, die Anzahl psychosozialer Risiken wie Stress hingegen stetig zunehmen. Das Modell über Glück in Unternehmungen ist folglich aus der Überzeugung heraus entstanden, dass Zufriedenheit allein als ein unvollständiger Parameter zur Messung der Arbeitseinstellung verstanden werden muss.

Handlungsanleitung für Führungskräfte im Gesundheitswesen

Wichtig scheint zum einen die bewusste Beziehungspflege zu den Mitarbeitenden. Dazu gehört etwa, Pausenzeiten gemeinsam zu verbringen, Teamrituale einzuführen, aber auch Transparenz zu schaffen. Ebenfalls von grosser Bedeutung ist das Teilen von Verantwortung: Mitarbeitende befähigen, Zuständigkeiten schaffen, Erfolge feiern und eine Fehlerkultur pflegen. Auch der Wissenstransfer – beispielsweise durch interne Fortbildungen – ist ein zentraler Punkt. Weiter wird Führungskräften empfohlen, gegenseitige Erwartungen, Rollen und Werte zu klären. Und nicht zuletzt sollten sie sich mit der eigenen Rolle und den eigenen Fähigkeiten auseinandersetzen. Dabei gilt es, sich in Selbstkritik, aber auch in Selbstfürsorge zu üben.

Glückliche und leistungsfähige Mitarbeitende – der Schlüssel zum Erfolg?

Zusammengefasst kann schliesslich gesagt werden, dass es zukünftig noch wichtiger wird, eine attraktive Arbeitsatmosphäre sowie agile Arbeitsbedingungen zu schaffen – beispielsweise durch Teilzeitmodelle und flexible Arbeitszeiten. Ebenfalls von grosser Bedeutung ist, dass Entscheidungen transparent kommuniziert werden und sich das Team einbezogen fühlt. Überhaupt wünschen sich die Mitarbeitenden eine partnerschaftliche und wertschätzende Zusammenarbeit. Kurz: einen Umgang auf Augenhöhe. Mitarbeitende sollen ihre Tätigkeit als sinnstiftend erleben und eine intrinsische Motivation verspüren.

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Kommentar

Liebe Fabienne

Ganz spannender Artikel. Vor allem der letzte Abschnitt ist sehr einprägsam und absolut wichtig im Umgang mit Mitarbeitern.

Liebe Grüsse

Christian

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