Vermögensverzicht und die Auswirkungen auf den Anspruch auf Ergänzungsleistungen

Dieser Artikel ist am 17. Februar in der Fachzeitschrift für Pflege und Betreuung «NOVAcura» (Ausgabe 1/2022) erschienen.

Ein Vermögensverzicht kann sich auf den Anspruch von Ergänzungsleistungen auswirken und weitreichende Folgen haben. Es ist keine Seltenheit, dass vermögende Personen nach Möglichkeiten suchen, ihren Besitz vor Alters- und Pflegeheimkosten zu schützen. Das hat jedoch Konsequenzen für den späteren Bezug von Ergänzungsleistungen.

Notwendigkeit der EL

Die Ergänzungsleistungen sind seit der Einführung im Jahr 1966 ein wichtiger Bestandteil zur Deckung der Lebenskosten im Alter oder bei Invalidität. Als 1966 das Bundesgesetz über die Ergänzungsleistungen in Kraft getreten ist, war es nicht als definitiver Bestandteil zur Sicherung des Lebensbedarfes gedacht. Im Laufe der Zeit stellte sich jedoch heraus, dass die Ergänzungsleistungen nicht mehr wegzudenken waren, sodass seit 1. Januar 2008 in der Bundesverfassung[1] im Artikel 112a folgendes verankert ist: «Bund und Kantone richten Ergänzungsleistungen aus an Personen, deren Existenzbedarf durch die Leistungen der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung nicht gedeckt ist.» Vor allem für die Heimfinanzierung sind die Ergänzungsleistungen für die Rentenberechtigten unverzichtbar.

Reform der Ergänzungsleistungen

Mit ein Ziel der letzten Ergänzungsleistungs-Reform, die seit 2021 umgesetzt wird, ist die stärkere Gewichtung des Vermögens. Dabei wurde zum einen neu eine Vermögensschwelle von 100 000 Franken eingeführt, d.h. dass Gesuchsstellende mit einem Vermögen von über 100 000 Franken keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben. Der Wert einer selbstbewohnten Immobilie wird bei der Eintrittsschwelle aber nicht berücksichtigt. Zudem sinken die Vermögensfreibeträge auf 30 000 Franken für Alleinstehende und 50 000 Franken für Verheiratete. Zum anderen werden bei neuen Anträgen nun auch Vermögenswerte angerechnet, welche aus Sicht des Gesetzgebers übermässig ausgegeben wurden.

Anspruchsberechnung

Für die Anspruchsberechnung von Ergänzungsleistungen für im Heim lebende Personen werden neben den Einnahmen aus Renten auch der Teil des Vermögens als Einnahmen angerechnet, der den Freibetrag von 30 000 Franken bei Alleinstehenden und 50 000 Franken bei Ehepaaren übersteigt. Der darüberliegende Betrag wird bei im Heim lebenden Personen jährlich zu 1/5 als Einnahmen berechnet. Bei den Vermögenswerten kann es sich um Sparguthaben / Wertschriften, BVG-Freizügigkeitsguthaben, unverteilte Erbschaften, Grundeigentum oder Vermögensverzichte wie z.B. gewährte Erbvorbezüge handeln.

EL und Heimfinanzierung

Bei der Finanzierung eines Heimaufenthaltes spielen die Ergänzungsleistungen eine bedeutende Rolle. Wenn die Renten und sonstigen Einkünfte nicht ausreichen, können Ergänzungsleistungen zur Finanzierung des Heimaufenthaltes beansprucht werden. Die Wichtigkeit der Ergänzungsleistungen zeigt sich am Beispiel der bisherigen Pflegezentren der Stadt Zürich (neu Gesundheitszentren für das Alter). Aus der Broschüre «Altersstrategie 2035» des Gesundheits- und Umweltdepartements der Stadt Zürich (2020, S. 17) geht hervor, dass deutlich mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner in den Pflegezentren auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind. Durch die hohen Heimkosten übersteigen die Ausgaben die Einnahmen der Rentenbezügerinnen und –bezüger um ein Vielfaches.

Der Umfang der Ergänzungsleistungen wird immer individuell berechnet. Sind die gemäss ELG Art. 10 anerkannten Ausgaben (Heimkosten, Krankenkassenprämien, persönliche Auslagen u.a.) höher als die anrechenbaren Einnahmen (Renten, weitere Einkünfte, Vermögensanteil u.a.), entsteht ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen. Die Kosten für den Heimaufenthalt sind nach Art. 10 Abs. 2 a ELG begrenzt, um eine Abhängigkeit vom Sozialamt möglichst zu verhindern. Die vom kantonalen Sozialamt (KSA) festgelegte Taxbegrenzung beträgt laut Weisung des KSA Kapitel 2.3.1.2 für Pflegeheime im Kanton Zürich 255 Franken pro Tag.

Mehrkosten für luxuriöse Einrichtungen und erhöhten Komfort können nicht im Rahmen der Ergänzungsleistungen gedeckt werden. Das heisst, dass namentlich die Hotelleriekosten in teureren Heimen oder für teurere Zimmerkategorien nicht vollständig, sondern nur teilweise anerkannt werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen in einem solchen Fall Aufenthaltskosten, die die Begrenzung von 255 Franken übersteigen, aus ihrem Vermögen oder mit Hilfe der Angehörigen finanzieren.

Vermögensverzicht

Viele ältere Personen möchten rechtzeitig einen Teil ihres Vermögens in Form von Schenkungen, Erbvorbezügen oder Überschreibungen von Liegenschaften vor dem Staat retten. Es wird jedoch in vielen Fällen nicht bedacht, dass das verschenkte Haus oder der Erbvorbezug bei einem Heimeintritt bei der Anspruchsberechnung als Verzichtsvermögen bewertet und als Vermögen angesehen wird, so, als ob es noch vorhanden wäre. Solche Schenkungen oder andere Übertragungen von Vermögenswerten verjähren nicht, wie es die landläufige Meinung ist. So spielt es keine Rolle, wann die Werte abgetreten worden sind.

Das hat weitreichende Folgen: Es kann dazu führen, dass aufgrund des zu hohen Vermögens kein Anspruch oder nicht der volle Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht, aber da das Vermögen tatsächlich nicht mehr vorhanden ist, führt es zu einer Finanzierungslücke des Heimaufenthaltes.

Unter Vermögensverzicht wird die Veräusserung von Vermögen ohne rechtliche Verpflichtung und ohne adäquaten Gegenwert verstanden. Das bedeutet, dass auf Einkommen verzichtet wird, ohne dass eine gleichwertige Gegenleistung erhalten wurde.

Dieses veräusserte Vermögen wird bei der Anspruchsberechnung zum tatsächlich vorhandenen Vermögen dazugerechnet. Die Verankerung im Gesetz dazu findet sich im Art. 11a Abs. 2 ELG. Dort heisst es, dass Einnahmen, Vermögenswerte und gesetzliche oder vertragliche Rechte, auf die eine Person verzichtet hat, als Einnahmen angerechnet werden, als wäre nie darauf verzichtet worden.

Beispiele von Vermögensverzichten sind Schenkungen von Liegenschaften, Verkauf einer Liegenschaft unter dem Verkehrswert, Verzicht auf Erbanspruch, Erbvorbezug und der übermässige Vermögensverbrauch.

Praxisbeispiel zum Vermögensverzicht im Pflegezentrum

Die AHV-Rentnerin Frau P. möchte eventuelle Erbstreitigkeiten unter ihren Kindern vermeiden und überschreibt ihnen deshalb vorzeitig ihr Haus im Wert von 700 000 Franken im Jahr 2013. Fünf Jahre später muss Frau P. ins Pflegeheim. Da die Heimkosten ihre Einnahmen aus der AHV- und der Pensionskassenrente erheblich übersteigen, stellt sie einen Antrag auf Ergänzungsleistungen. Die Ausgleichskasse lehnt den Antrag ab, denn das an die Kinder überschriebene Haus wird als noch vorhandenes Vermögen in die Berechnung miteinbezogen und Frau P. zu 1/5 jährlich als Vermögen angerechnet. Somit übersteigen die Einnahmen von Frau P. ihre Ausgaben und ihr Anspruch auf Ergänzungsleistungen entfällt.

Durch die jährliche Amortisation von 10 000 Franken reduziert sich zwar der Verzichtswert zum Zeitpunkt des Heimeintritts auf 660 000 Franken. Der Betrag wird Frau P. als Verzichtsvermögen angerechnet, davon wird noch der Freibetrag von 37 500 Franken (nach neuem ELG 30 000 Franken) für Alleinstehende abgezogen, sodass das anrechenbare Vermögen 622 500 Franken beträgt. Pro Jahr wird dann 1/5 des Vermögens als Einnahmen angerechnet, nämlich 124 500 Franken. Ihre Altersrente beträgt 24 000 Franken im Jahr. Die Heimkosten belaufen sich jährlich auf 85 000 Franken. Frau P. hat also rein rechnerisch einen Einnahmeüberschuss von 63 500 Franken jährlich. Tatsächlich aber ergibt sich aus der Differenz zwischen ihren Einnahmen, die ja nur aus der Rente bestehen, und ihren Ausgaben ein Fehlbetrag von 61 000 Franken. Die Folge ist, dass Frau P. keine Ergänzungsleistungen erhält. Folglich ist die Heimfinanzierung nicht mehr gewährleistet und es bleibt Frau P. nur noch der Gang aufs Sozialamt, das dann weitere Unterstützungsmöglichkeiten prüft.

Warum wird Verzichtsvermögen als Einnahme angerechnet?

Ergänzungsleistungen sind vor allem bei der Finanzierung der Pflege ein wichtiger Bestandteil. In den beschriebenen Fällen wurde vorhandenes Vermögen ohne gleichwertige Gegenleistung und ohne rechtliche Verpflichtung ausgegeben. Dies führte jeweils dazu, dass bei der Antragstellung auf Ergänzungsleistungen dieses Vermögen als Verzichtsvermögen angerechnet wurde und so Einfluss auf die Höhe und den Anspruch auf Ergänzungsleistungen hatte. Dieses Vorgehen wird dadurch begründet, dass es Missbräuchen vorbeugen soll. Das geht unter anderem aus dem Bundesgerichtsurteil BGE 131 V 329, E. 4 4, S. 335 hervor, dort heisst es: «Die Anrechnung eines Verzichtsvermögens bezweckt die Verhinderung von Missbräuchen». Einerseits Vermögen erhalten wollen und andererseits staatliche Leistungen beziehen, das soll verhindert werden. Im selben Urteil ist dann auf S. 336 weiter zu lesen, dass es nicht sein kann, dass «der Lebensunterhalt des Schenkers nicht mehr durch den Verzehr des Vermögens, sondern durch Ergänzungsleistungen finanziert würde. Dafür sind die Ergänzungsleistungen nicht geschaffen worden».

Fazit

Damit ein würdevolles Altern bei gesicherter Existenz möglich ist, empfiehlt sich ein vorsichtiger Umgang mit Schenkungen, Übertragung von Liegenschaften vor allem bei eher knappen finanziellen Verhältnissen. Beim übermässigen Verbrauch von Vermögen ist es zu empfehlen, sich an die «erlaubten» Ausgaben pro Jahr zu halten.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Stadt Zürich, Gesundheits- und Umweltdepartement (GUD) (2020). Altersstrategie 2035. Zugriff am 23.11.2021. Verfügbar unter https://www.stadt-zuerich.ch/gud/de/index/departement/strategie_politik/alterspolitik-2035/altersstrategie-2035.html


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