Resilienz – ein Begriff der Hoffnung verspricht

Als Mitarbeitende in der Langzeitpflege kennen Sie bestimmt alle diese bewunderungswürdigen Bewohnerinnen und Bewohner, die trotz schwieriger Umstände und eingeschränktem Spielraum zufrieden sind. Die in dieser letzten Lebensphase Sinn sehen, sich allenfalls sogar aktiv einbringen oder diese Lebensphase für Klärungen oder als Zeit des Abschliessens nutzen. Sie vermitteln Hoffnung auf das eigene Alter und machen die Betreuung, Pflege oder Behandlung zu einem erfreulichen Unterfangen. Diese Menschen würden wir wohl als resilient bezeichnen.

Resilienz als falsches Versprechen

Resilienz wird, verlässt man sich auf Google, oft als eine Fähigkeit beschrieben. Sie weckt bei vielen Menschen die Hoffnung, dass uns Resilienz, wenn einmal vorhanden, immun gegen sämtliche Schwierigkeiten macht.

Resilienz als eine Fähigkeit oder als ein bestimmtes Persönlichkeitsmerkmal zu definieren, greift meiner Meinung nach zu kurz. Resilienz ist wohl eher das Resultat verschiedener Fähigkeiten, Ressourcen und Persönlichkeitsmerkmalen, die auf eine bestimmte Situation bezogen geeignet sind, diese zu bewältigen. Ob jemand wirklich resilient ist, zeigt sich in der Regel erst im Nachhinein oder im besten Fall im Laufe des Bewältigungsprozesses.

Ich halte mich aus diesen Gründen lieber an den Resilienzbegriff von Kalisch (2017). Er geht von einem dynamischen Resilienzbegriff aus und sieht Resilienz als Ergebnis eines Anpassungsprozesses an Stressoren.

Resilienz doch ein Begriff der Hoffnung

Das Hoffnungsvolle an der Resilienz liegt mehr im Forschungsansatz der Salutogenese, die eng mit Resilienz verknüpft ist. Als Ergänzung zur Pathogenese, die sich mit der Verhinderung von Krankheit beschäftigt, steht bei der Salutogenese die Entstehung von Gesundheit im Vordergrund.

Was macht es aus, dass Menschen auch unter belastenden Umständen gesund bleiben? Welche Faktoren begünstigen den Anpassungsprozess an Stressoren? Mit Praxisbeispielen werde ich einige anerkannte Schutz- oder Resilienzfaktoren aus der Salutogenese vorstellen (Rampe, 2004; Bengel & Lyssenko, 2014).

Resilienz versteckt sich im Alltag

Der Alltag, gespickt mit Herausforderungen, Belastungen und täglichen Widrigkeiten, eignet sich bestens als Trainingsfeld, wenn man die persönliche Entwicklung durch einen Anpassungsprozess fördern möchte. Schauen wir diesen Alltag an einigen Beispielen gemeinsam genauer an:

Meine Hypothese für die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, wie in der Einleitung beschrieben, liegt in der inneren Haltung oder den persönlichen Werten. Dies kann Optimismus sein, aber auch eine Haltung der Dankbarkeit, Religiosität oder eine eher kämpferische Grundhaltung, wie ein «Jetzt erst recht».

Werte und Haltungen sind persönliche Ressourcen im Umgang mit Herausforderungen, da sie motivierend und sinnstiftend wirken.

Der Clown und die alte Dame

Auf der Pflegeabteilung ist der Besuch des Clowns angesagt. Er setzt sich zu einer Bewohnerin und fragt: «Wie geht es denn»? – «Schlecht», kriegt er zu hören. Darauf der Clown: «Was kann ich für Sie tun»? – «Nichts», meint die Bewohnerin. «Super, NICHTS tue ich besonders gern», sagt der Clown, verschränkt die Arme, lehnt sich gemütlich zurück und gähnt. «Wie geht es jetzt»? fragt der Clown später. «Besser», antwortet die Bewohnerin.

Mit Resilienz hat diese Geschichte vielleicht wenig zu tun, aber der Clown hat eine wichtige Fähigkeit gezeigt, die zur Resilienz gehört. Der Clown zeigte Akzeptanz. Er hat die Stimmung der Bewohnerin akzeptiert und hat einen Weg gesucht damit umzugehen. In dieser Situation war die Übung vielleicht einfach; bei einer Bewohnerin, welche die Mitarbeitenden dauernd beschimpft, wird die Herausforderung schon grösser.

Akzeptanz ist die Fähigkeit zu akzeptieren was (im Moment) nicht zu ändern ist. Dies kann eine äussere oder innere Situation (Gefühle) sein.

Das belastete Team

Pflegeteams sind immer wieder belastenden Situationen ausgesetzt. Wie beispielsweise das Team, das eine Bewohnerin betreute, die dauernd schrie und dies seit deutlich mehr als einem halben Jahr. «Wissen die da oben überhaupt, wie es uns geht oder was wir leisten»? Solche Aussagen werden in diesen Situationen gerne einmal ausgesprochen. Beeindruckend an dieser Geschichte ist, dass das Team das Ruder in die Hand nahm und die Leitung zu einer Teamsitzung einlud. So konnten die Mitarbeitenden ihrem Bedürfnis nachkommen und einfach erzählen, wie es ihnen geht. Wertschätzung kann man sich auch holen.

Mitarbeitende der Hauswirtschaft machen sich sichtbar

Ein weiteres Beispiel, wie die Übernahme von Verantwortung klappen kann: Mitarbeitende der Hauswirtschaft zeigten sich enttäuscht darüber, dass sie sich von den anderen Mitarbeitenden wenig wahrgenommen fühlten. Kurzerhand wurde am Tag der Hauswirtschaft eine Aktion auf die Beine gestellt, an der die Mitarbeitenden der Hauswirtschaft ihre Arbeit vorstellten.

Beide Teams übernahmen Verantwortung, traten aus der Opferrolle heraus und suchten selber nach Lösungen. Mit dieser Strategie erhöhten sie zusätzlich ihre Selbstwirksamkeitserwartung.

Die Chance, bei der nächsten Herausforderung wieder Verantwortung zu übernehmen, steigt mit jeder positiven Erfahrung an und als Gratisgeschenk gibt es dazu noch ein Glücksgefühl.

«Glücklich sind wir, wenn es uns gelingt schwierige Situationen aus eigener Kraft zu meistern». So lautet ein Zitat aus dem Referat von Prof. Dr. Anna Maria Pircher-Friedrich am Forum für Langzeitpflege der Pflegezentren der Stadt Zürich.

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