Kunsttherapie – Fachrichtung Drama- und Sprachtherapie

Als eine von fünf in der Schweiz anerkannten Fachrichtungen der Kunsttherapie kann die Dramatherapie Menschen jeden Alters dabei unterstützen, eigene Ressourcen zu erkennen und Herausforderungen kompetent zu begegnen.

Was ist Dramatherapie?

Das Wort Drama kommt aus dem Griechischen und heisst Handlung oder Aktion. Im therapeutischen Prozess geht es immer auch darum, das Gefühlte in einer Handlung auszudrücken und handhabbar zu machen. Worte werden dabei sekundär, was die Dramatherapie so wertvoll macht, auch für alle Personen, welche aus verschiedensten Gründen Mühe haben mit der Sprache. Die Dramatherapie ist eine der fünf in der Schweiz offiziell anerkannten Fachrichtungen der Kunsttherapie.

Die dramatherapeutische Arbeit kann auf drei verschiedenen Ebenen stattfinden:
• Körperebene: Körper- und Entspannungsübungen, körperliche Aktivierung
• Projektive Ebene: Malen, Gestalten, Geschichtenarbeit
• Szenisches Spiel: Rollen-, Puppen- und Maskenspiel, Auftrittskompetenz, Stimmarbeit

Der Mensch kann in diesen künstlerischen Interventionen auf vielfältige Ressourcen zurückgreifen, welche ihn dabei unterstützen, die anstehenden Herausforderungen zu verstehen und ihnen mit Kompetenz zu begegnen. Handelnd erleben wir Sinn!

Was zeichnet die Kunsttherapeutischen Angebote, in meinem Fall die Dramatherapie, aus? Was kann der Gewinn sein gegenüber einer herkömmlichen Gesprächstherapie und/oder Beratung?

«Es ist das geistige und physische Hineinversetzen in für mich problematische, belastende Gedanken und Situationen durch visuelle oder aktive Darstellung. Also sich etwas in allen Einzelheiten vorstellen oder mit Hilfsmitteln aufbauen oder malen, zeichnen oder spielen. Wenn ich keinen Anfang finde oder es hapert zwischendurch irgendwo, helfen Sie mit behutsamem Nachfragen oder Denkanstössen. Für mich bedeutet es ein Bewusstwerden, das mir gemeinsam mit Ihnen hilft, Lösungen zu finden, oder Strategien für das ‹Damit umgehen› zu entwickeln.» Zitat einer Klientin, welche neben einer klassischen Gesprächstherapie auch eine dramatherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt.

Wo kann ich meine Fähigkeiten (rechts) einbringen (links) – projektive Installation einer anderen Klientin.

Wie kommt Dramatherapie im geriatrischen Einzelsetting (ambulant oder stationär) zur Anwendung?

Älter werden ist an sich kein Grund für Therapie. Die meisten Menschen altern gesund und viel zufriedener als allgemein angenommen wird. Dennoch kann es gute Gründe geben, sich auch im höheren Lebensalter persönlich weiterentwickeln und/oder eine Beratung/Therapie in Anspruch nehmen zu wollen. Denn manchmal können die drohende Einsamkeit, der Tod von nahestehenden Menschen, der fehlende Lebenssinn durch den Verlust von Fähigkeiten, eine beginnende Demenz oder eine Krankheit schwere Belastungen für die direkt Betroffenen aber auch für deren Angehörige darstellen.

Fr. B. lebt in einer kleinen Pflegewohngruppe. Sie leidet unter nächtlichen Ängsten, sie kommt dabei leicht in Panik. Ein erster Schritt ist darum, einfache Atemübungen zu erlernen, um die Atmungsfrequenz zu regulieren. Ihr Mann ist noch nicht lange verstorben, nachts vermisst sie ihn am meisten. Gemeinsam gestalten wir ein Kissen, welches die guten warmen Qualitäten seiner Präsenz vereint und ganz festgehalten werden kann, wenn die Angst zu gross wird. Daneben übt sie im Rollenspiel aber auch, wie sie ihren Kindern mitteilen kann, dass sie noch einmal Ferien machen möchte in ihrem Heimatland und wieviel ihr das bedeuten würde. Und obwohl ihr die Kinder am Ende den Wunsch nicht mehr erfüllen werden können, weil ihre Krankheit zu schnell fortschreitet, so erlebt sie doch Momente des Selbstvertrauens und der Selbstermächtigung während des Gesprächs mit ihren Angehörigen.

Wie kann der dramatherapeutische Ansatz in einem institutionellen Gruppensetting angewendet werden?

Beispielsweise in Form einer aufgeführten Geschichte einer Bewohnerin aus dem Tageszentrum. Hier fliessen sowohl Elemente aus der narrativen Therapie wie auch der Dramatherapie ein. Zuerst wird die erzählte Geschichte weiter exploriert und allenfalls mit verschiedenen Medien vertieft, dann wird sie mit Mitteln des Theaters auf die Bühne gebracht. Das kann entweder in einer einmaligen Form oder nach einer vorherigen Probe geschehen. Dabei können Pflegende, andere Mitbewohnerinnen und/oder Familienmitglieder anwesend sein und aktiv ins Spiel eingebunden werden. Der Gewinn der dramatherapeutischen Inszenierung liegt dabei in der Intensivierung und Multiplizierung der Möglichkeiten des Erinnerns durch den Körper, die Stimme, projektive Mittel wie verschiedene Requisiten, Masken und Bilder, aber auch durch das Eintreten in ein Rollenspiel, welches alle Sinne aktiviert. Im Moment des dramatischen Spieles, bzw. beim Eintauchen in diese dramatische Realität können dabei für einen Moment lang Vergangenheit und Gegenwart vereint werden und Gefühle und Erlebnisse handelnd sichtbar gemacht werden. Wenn dabei die Zuschauerinnen ins Rollenspiel einbezogen werden, kann die Erfahrung erst recht geteilt werden. Es entsteht im Angesicht des drohenden Identitätsverlustes durch die Demenz ein Raum für Begegnung mit der Person, deren Geschichte inszeniert wird.

Wenn es zu einer Aufführung kommt, müssen ethische Überlegungen angesichts der Verletzlichkeit der betroffenen Personen unbedingt miteinbezogen werden. Novy (2019) schlägt vor, die Zuschauerinnen darauf vorzubereiten, dass die Inszenierung ein inklusives kommunikatives Projekt ist, bei dem alle gleichwertige Gesprächspartnerinnen sind. Die Familienmitglieder sollten vorgewarnt sein, dass nicht alle Begebenheiten des Spiels zwingend die Wirklichkeit abbilden.

Harel (2016) geht in ihrer Aufführungspraxis des autobiografischen Theaters sogar noch einen Schritt weiter, indem sie mit der Gruppe, welche aus Besucher*innen eines Tageszentrums und Dramatherapie-Studierenden besteht, gemeinsam die einzelnen Szenen aus den Geschichten der Teilnehmenden zu einem Stück verbindet.

Dieser eher produktorientierten Formen der Anwendung kommen vor allem bei leichter oder mittlerer Demenz zum Zug. Es existieren aber auch prozessorientierte Anwendungsmöglichkeiten, bei der keine Aufführungen vorgesehen sind. Hier werden Momente des Wohlbefindens, der erhöhten Lebensqualität sowie eine Erweiterung des eigenen Ausdrucks berichtet (Jaaniste, 2015)

Die Bar ist bereit für die Damen, Bühne frei! Biografietheater OasiDue, Sawia, Zürich, 2017

Literatur

Harel, D. (2016). Autobiographical Therapeutic Theatre with Older People with Dementia. In S. Pendzik, R. Emunah & D. Read Johnson (Hrsg.), The Self in Performance: Autobiographical, Self-Revelatory, and Autoethnographic Forms of Therapeutic Theatre (S. 213–226). New York: Palgrave Macmillan US. https://doi.org/10.1057/978-1-137-53593-1_15

Jaaniste, J., Linnell, S., Ollerton, R. L. & Slewa-Younan, S. (2015). Drama therapy with older people with dementia—Does it improve quality of life? Arts in Psychotherapy. https://doi.org/10.1016/j.aip.2014.12.010

Jaaniste, J. (2022). Dramatherapy with Elders and People with Dementia: Enabling Developmental Wellbeing (1st ed.). Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003186328

Novy, C. (2017). Life stories and their performance in dementia care. Arts in Psychotherapy, 57, 95-100. https://doi.org/10.1016/j.aip.2017.12.003

Novy, C. (2019). From reality disjunctions to dramatic reality: Bridging realities through the performance of life stories in dementia care. Dramatherapy. https://doi.org/10.1177/0263067220915419

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